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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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hatte gesehen, daß ein Schlüssel daran hing. »Hol ihn mir!«
    Demonstrativ zerrte er an seinen Fesseln, damit sie begriff, was er meinte. »Um Gottes willen, hilf mir!«
    Ihre Hand griff nach seinem Gesicht und streichelte seine blutigen Wangen, als seien sie beide tausend Meilen weit weg. Dann rutschte sie zu der Leiche und hakte den Schlüssel los.
    Fiebernd vor Ungeduld beobachtete Allday, wie sie zuerst die Fußeisen aufschloß und sich dann über ihn beugte, um auch seine Handfesseln zu lösen. Es schien ihr nichts auszumachen, daß ihre nackten Brüste dabei sein Gesicht streiften, sie konzentrierte sich ganz auf diese letzte mutige Tat, vor der sie keinen Augenblick gezögert hatte.
    Allday rollte sich auf die Seite und stöhnte vor Schmerzen, als das Blut in seine abgestorbenen Glieder zurückkehrte.
    Ihm war schwindlig, und er wußte, wenn er jetzt nicht in Bewegung blieb, würde er wieder bewußtlos werden.
    Gebückt schlurfte er zu dem Entermesser hinüber und riß es aus den Holzplanken. »So ist’s schon besser«, keuchte er.
    Dann humpelte er zu dem Toten und zog das Messer aus der Wunde. Es stak ziemlich fest. »Du hast’s diesem Hund aber ganz schön gegeben«, murmelte er.
    Er starrte zur Decke, als lautes Rufen aus jener anderen Welt zu ihnen herunterdrang. Handspaken und Blöcke klapperten.
    Sie richteten also den Neunpfünder von neuem aus, und dafür konnte es nur
einen
Grund geben. Allday packte die Schulter des Mädchens und wunderte sich, daß es nicht vor ihm zurückzuckte. Vielleicht war es schon jenseits von allem, was Scheu oder Skrupel sonst diktiert hatten.
    Allday deutete auf die kleine Tür im Schott und machte eine sägende Bewegung mit dem Messer. An der Schneide klebte noch Blut, aber das Mädchen beobachtete ihn aufmerksam, ohne Furcht oder Ekel.
    Langsam und deutlich erklärte er, was er von ihr wollte: »Du kriechst durch das Türchen da und schneidest die Leinen zum Ruder durch, ja?« Verzweifelt stöhnte er auf, als ihre Augen leer und verständnislos blieben. Bald würde man Newby suchen kommen, zumal ein Gefecht unmittelbar bevorzustehen schien.
    Allday brach das Türchen mit dem Entermesser auf und hielt die Laterne so, daß die Kleine in den dunklen Raum dahinter blicken konnte. Von unsichtbaren Händen oben bewegt, glitten die Ruderleinen knarrend durch ihre Blöcke, das Kielwasser unter dem Heck gurgelte so laut, als sei es nur wenige Zoll entfernt. Allday fuhr zusammen, als er kalte Finger an seinem Handgelenk fühlte. Aber es war nur das Mädchen. Mit einem suchenden Blick, als brauche sie sein Lob, nahm sie ihm das Messer aus der Hand und glitt in das finstere Loch. Ihr nackter Körper war nur ein heller Schatten, als sie sich nun den Rudertaljen zuwandte.
    Allday massierte sich die tauben Arme und starrte zur Luke hinauf. Sie war der einzige Zugang zum Lazarett.
    Hinter sich hörte er das Mädchen keuchen, während es an den dicken Hanftauen sägte. Es konnte lange dauern, bis sie durch waren, aber Angst und Haß würden ihr Kraft verleihen.
    Immer ein Kordel nach dem anderen… Allday spuckte in die Hände und packte das Entermesser fester. Noch vor einigen Minuten hatte er sich auf den Tod gefaßt gemacht, und jetzt waren sie beide frei, wenn auch nur für kurze Zeit.
    Falls es sein mußte, würde er sie selbst töten, ehe sie ihn holen kamen, damit sie nur das erlitt und nicht noch mehr.
    Eine Stimme oben bellte: »Wo steckt er bloß, verdammt noch mal?«
    Allday biß die Zähne zusammen. Es ging also los! Aus der Luke fiel helles Licht, und die Stimme von eben rief wütend herunter: »Komm an Deck, du geiler Spinner! Der Käptn wartet!«
    Ein tastender Seestiefel erschien unter dem Lukensüll.
    Allday spürte die Mordlust wie flüssiges Feuer durch seine Adern schießen. Er zischte: »Meinst du mich?«, und hieb die breite Schneide knapp unter dem Knie in das Bein. Dann mußte er sich zurückwerfen, um den Blutspritzern auszuweichen und dem gräßlichen Schrei, den erst der zufallende Lukendeckel dämpfte.
    Als sein Atem wieder leiser ging, hörte er das regelmäßige Sägen des Messers. »Mach nur so weiter, Kleine«, murmelte er. »Wir werden es diesen Hunden schon zeigen.« Und was später kam … Er leckte sich die trockenen Lippen. Das Später zählte nicht mehr.
    Bolitho ging nach achtern zum Kompaßhaus, seine Schritte auf den nassen Decksplanken klangen ungewöhnlich laut.
    Das Achterdeck war zwar voller Menschen, aber sie standen schweigend und

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