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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Treppe, verehrter Herr, erwiderte Heinrich; was gehn mich denn Ihre Sachen an. Haben Sie sie mir bei Ihrer Abreise aufzuheben gegeben?
    Stellen Sie sich nicht so dumm, schrie Jener, – wo ist die Treppe hier geblieben? Meine große, schöne, solide Treppe?
    War hier eine Treppe? fragte Heinrich; ja, mein Freund, ich komme so wenig oder vielmehr gar nicht aus, daß ich von Allem, was nicht in meinem Zimmer vorgeht, gar keine Notiz nehme. Ich studiere und arbeite, und kümmre mich um alles Andre gar nicht.
    Wir sprechen uns, Herr Brand, rief Jener, die Bosheit erstickt mir die Zunge und Rede; aber wir sprechen uns noch ganz anders! Sie sind der einzige Hausbewohner; vor Gericht werden Sie mir schon melden müssen, was dieser Handel zu bedeuten hat.
    Sein Sie nicht so böse, sagte Heinrich jetzt; wenn Ihnen an der Geschichtserzählung etwas liegt, so kann ich Ihnen auch schon jetzt damit dienen; denn allerdings erinnre ich mich jetzt, daß vormals hier eine Treppe war, auch bin ich nun eingeständig, daß ich sie verbraucht habe.
    Verbraucht? schrie der Alte und stampfte mit den Füßen; meine Treppe? Sie reißen mir mein Haus ein?
    Bewahre, sagte Heinrich, Sie übertreiben in der Leidenschaft; Ihr Zimmer unten ist unbeschädigt, so steht das unsre hier oben blank und unberührt, nur diese arme Leiter für Emporkömmlinge, diese Unterstützungsanstalt für schwache Beine, dieses Hilfsmittel und diese Eselsbrücke für langweilige Besuche und schlechte Menschen, diese Verbindung für lästige Eindringlinge, diese ist durch meine Anstalt und Bemühung, ja schwere Anstrengung, allerdings verschwunden.
    Aber diese Treppe, schrie Emmerich hinauf, mit ihrer kostbaren, unverwüstlichen Lehne, mit diesem eichenen Geländer, diese zwei und zwanzig breiten, starken, eichenen Stufen waren ja ein integrierender Teil meines Hauses. Habe ich noch, so alt ich bin, von einem Mietsmann gehört, der die Treppen im Hause verbraucht, als wenn es Hobelspäne oder Fidibus wären.
    Ich wollte, Sie setzten sich, sagte Heinrich, und hörten mich ruhig an. Diese Ihre zwei und zwanzig Stufen lief oft ein heilloser Mensch herauf, der mir ein kostbares Manuskript abschwatzte, es drucken wollte, sich dann für bankrott erklärte und auf und davon ging. Ein andrer Buchhändler stieg unermüdet diese Ihre eichenen Stufen hinauf und stützte sich dabei immer auf jenes starke Geländer, um sich den Gang bequemer zu machen; er ging und kam und kam und ging, bis er, meine Verlegenheit grausam benutzend, mir die erste kostbare Edition meines Chaucer abdrang, die er für mehr als einen Spottpreis, für einen wahren Schandpreis, in seinen Armen davontrug. O, mein Herr, wenn man solche bittre Erfahrungen macht, so kann man wahrlich eine Treppe nicht lieb gewinnen, die es solchen Gesellen so übermäßig erleichtert, in die obern Etagen zu dringen.
    Das sind ja verfluchte Gesinnungen, schrie Emmerich.
    Bleiben Sie gelassen, sprach Heinrich etwas lauter hinunter. Sie wollten ja den Zusammenhang der Sache erfahren. Ich war betrogen und hintergangen; so groß unser Europa ist, Asien und Amerika nicht einmal zu rechen, so erhielt ich doch von nirgend her Rimessen, es war, als wenn alle Kredite sich erschöpft hätten und alle Banken leer geworden wären. Der überharte, unbarmherzige Winter forderte Holz zum Einheizen; ich hatte aber kein Geld, um es auf dem gewöhnlichen Wege einzukaufen. So verfiel ich denn auf diese Anleihe, die man nicht einmal eine gezwungene nennen kann. Dabei glaubte ich nicht, daß Sie, geehrter Herr, vor den warmen Sommertagen wiederkommen würden.
    Unsinn! sagte Jener, glaubten Sie denn, Armseliger, daß meine Treppe bei der Wärme wie der Spargel von selbst wieder herauswachsen würde?
    Ich kenne die Natur eines Treppengewächses zu wenig, wie ich auch von Tropenpflanzen nur geringe Kenntnisse habe, um das behaupten zu mögen, antwortete Heinrich. Ich brauchte indeß das Holz höchst nötig, und da ich gar nicht ausging, meine Frau ebenso wenig, auch kein Mensch zu mir kam, weil bei mir nichts mehr zu gewinnen war, so gehörte diese Treppe durchaus zu den Überflüssigkeiten des Lebens, zum leeren Luxus, zu den unnützen Erfindungen. Ist es, wie so viele Weltweise behaupten, edel, seine Bedürfnisse einzuschränken, sich selbst zu genügen, so hat dieser für mich völlig unnütze Anbau mich vor dem Erfrieren gerettet. Haben Sie niemals gelesen, wie Diogenes seinen hölzernen Becher wegwarf, als er gesehen, wie ein Bauer Wasser mit der

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