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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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hinaufführend. Jetzt hast Du das vollendete Werk angestaunt, mein herziges Kind, und siehst nun wohl ein, daß wir uns zur Zeit noch mehr als sonst selbst genügen müssen. Denn wie möchte es doch eine Kaffeegesellschaft anfangen, mit ihren Nachrichten hier zu Dir hinauf zu dringen? Nein, ich bin Dir, Du bist mir genug; der Frühling kommt, Du stellst Deine Tulpe und Hyazinthe an das Fenster und wir sitzen hier.
Wo uns die Gärten der Semiramis
Auf zu den Wolken steigenden Terrassen,
In bunter Sommerpracht entgegenlachen
Mit dem Geplätscher ihrer spielenden Brunnen!
Den langen Sommer durch soll dort auf uns
Ein paradiesisch Liebesleben tau'n!
Dort auf der höchsten der Terrassen will ich,
Von dunkel glüh'nden Rosen überlaubt,
An Deiner Seite sitzen, uns zu Füßen
Die heißbesonnten Dächer Babylons. –
     
    Ich glaube, unser Freund Uechtritz hat das ganz eigen auf unsern Zustand hier gedichtet. Denn, sieh nur, dort sind die heißbesonnten Dächer, wenn nämlich erst die Sonne im Julius wieder scheinen wird, wie wir doch hoffen dürfen. Ist nun erst Deine Tulpe und Hyazinthe in Blüte geraten, so haben wir hier wirklich und anschaulich die fabelhaften hängenden Gärten der Semiramis, und noch viel wunderbarer, als jene; denn wer nicht Flügel hat, kann gar nicht hierher zu ihnen gelangen, wenn wir ihm nicht hülfreiche Hand bieten und etwa eine Strickleiter präparieren.
    Wir leben eigentlich, erwiderte sie, ein Märchen, leben so wunderlich, wie es nur in der Tausend und einen Nacht geschildert werden kann. Aber wie soll das in der Zukunft werden; denn diese sogenannte Zukunft rückt doch irgend einmal in unsre Gegenwart hinein.
    Sieh, herzlichstes Herz, sagte der Mann, wie Du nun wieder von uns Beiden die prosaische bist. Um Michaelis reisete unser alter grämlicher Hauswirt nach jener entfernten Stadt, um bei seinem Doktorfreunde Hülfe oder Erleichterung für sein Podagra zu suchen. Wir waren damals so unermeßlich reich, daß wir ihm nicht nur die vierteljährliche Miete, sondern sogar die Vorausbezahlung bis Ostern geben konnten, was er mit schmunzelndem Danke annahm. Von ihm haben wir also bis nach Ostern wenigstens nichts zu besorgen. Der eigentliche strenge Winter ist bereits vorüber, Holz werden wir nicht mehr viel brauchen, und im äußersten Fall sind uns immer noch die vier Stufen zum Boden hinauf übrig, und unsre Zukunft schläft dort noch sicher in mancher alten Tür, den Brettern des Fußbodens, den Bodenluken und manchen Utensilien. Darum getrost, meine Liebe, und laß uns recht heiter des Glückes genießen, daß wir hier von aller Welt so völlig abgetrennt sind, von keinem Menschen abhängig und keines Menschen bedürftig. So ganz eine Lage, wie der weise Mann sie sich immer gewünscht hat, und wie nur Wenige und Seltene glücklich genug sind, sich aneignen zu können. –
    Aber es kam dennoch anders, als er vorausgesetzt hatte. Als sie am nämlichen Tage kaum ihre dürftige Mahlzeit beschlossen hatten, fuhr ein Wagen vor das kleine Haus. Man hörte das Rasseln der Räder, das Anhalten des Fuhrwerks, das Aussteigen von Personen. Das seltsam vorgebaute Dach hinderte freilich die beiden Eheleute, zu erfahren, wer oder was die Ankommenden sein möchten. Es wurde abgepackt, so viel konnten sie vernehmen, und den Gatten überschlich jetzt die bängliche Vermutung, daß es denn doch wohl der grämliche Hausherr sein könne, der früher, als man berechnet, den Anfall des Podagra möchte überstanden haben.
    Es war deutlich zu hören, der Angekommene richtete sich unten ein, und so konnte kein Zweifel bleiben, wer er sei. Koffer wurden abgepackt und in das Haus geschafft, verschiedene Stimmen redeten durcheinander, man begrüßte sich mit den Nachbarn. Es war ausgemacht, Heinrich würde noch heut einen Kampf zu bestehen haben. Er horchte mißtrauisch hinunter und blieb an der nur angelehnten Tür stehen. Clara sah ihn mit einem fragenden Blick an; er aber schüttelte lächelnd mit dem Kopfe und blieb stumm. Unten wurde Alles ganz still; der Alte hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen.
    Heinrich setzte sich zu Clara hin und sagte mit etwas unterdrückter Stimme: Es ist in der Tat verdrießlich, daß nur sehr wenige Menschen so viel Phantasie wie der große Don Quixote besitzen. Als man diesem sein Bücherzimmer vermauert hatte und ihm erklärte, ein Zauberer habe ihm nicht nur seine Bibliothek, sondern auch die ganze Stube zugleich hinweggeführt, so begriff er sogleich, ohne nur zu zweifeln,

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