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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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gebunden. Ich weiß nicht einmal, welche Gefühle ich hegen soll, und wer mein Freund oder mein Feind ist.«
    Sie unterdrückte gewaltsam ihre Erregung und sagte leise:
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind.«
    »O doch, Fräulein Vandeleur, Sie wissen es,« gab er zurück, »besser als ich selbst. Gerade über diesen Punkt suche ich vor allem Licht. Sagen Sie mir, was Sie wissen,« sagte er bittend. »Sagen Sie mir, wer Sie sind und wie unsere Geschicke miteinander verknüpft sind. Sprechen Sie nur ein Wort, das mir einen festen Halt gibt, nennen Sie mir nur den Namen meines Vaters, wenn Sie wollen, – und ich werde dankbar und zufrieden sein.«
    »Ich will Sie nicht zu täuschen versuchen,« erwiderte sie. »Ich weiß, wer Sie sind, aber ich darf es nicht sagen.«
    »Sagen Sie mir wenigstens, daß Sie mir meine Unbescheidenheit verziehen haben, und ich werde mit aller Geduld, deren ich fähig bin, warten,« sagte er.»Kann ich es nicht erfahren, so muß ich mich so begnügen. Es ist grausam, aber ich kann es ertragen, wenn ich nicht zu fürchten brauche, daß Sie mir zürnen.«
    »Was Sie getan haben, war ganz natürlich,« sagte sie, »und ich habe Ihnen nichts zu vergeben. Leben Sie wohl!«
    »Soll das ein Lebewohl auf immer sein?« fragte er.
    »Das weiß ich selbst nicht,« antwortete sie. »Leben Sie wohl auf Wiedersehen, wenn Sie das lieber hören!«
    Und damit ging sie davon.
    Franz kehrte in einem Zustande großer Erregung in sein Zimmer zurück. Er kam an diesem Vormittag mit seiner Geometrie recht wenig vorwärts und befand sich mehr am Fenster als an seinem improvisierten Schreibtische. Aber außer der Rückkehr des Fräuleins Vandeleur und der Begrüßung zwischen ihr und ihrem Vater, der auf der Veranda eine Zigarre rauchte, war bis Mittag nichts Erwähnenswertes in und an dem Hause mit den grünen Jalousien zu bemerken. Der junge Mann nahm in einer nahen Wirtschaft ein hastiges Mahl ein und kehrte mit der Eile unbefriedigter Neugier zu dem Hause in der Lepicstraße zurück. Ein Diener in Galakleidung führte hier ein gesatteltes Pferd an der Gartenmauer auf und nieder, und der Pförtner von Franzens Wohnung saß, in die Betrachtung der Livree und des Rassepferdes versunken, mit einer Zigarre im Munde und bequem an die Wand gelehnt, da und rief dem jungen Manne zu:
    »Sehen Sie nur, was für ein edles Tier, was für eine reiche Livree! Es gehört dem Bruder des Herrn Vandeleur, der jetzt dort einen Besuch macht. Er ist in Ihrem Lande ein großer Mann, ein General, und er ist es auch, der den großen indischen Diamanten verloren hat. Davon müssen Sie doch in den Zeitungen gelesen haben.«
    Sobald sich Franz losmachen konnte, lief er die Treppe hinauf zu seinem Fenster. Unmittelbar unter der laubfreien Stelle des Kastanienbaumes saßen die beiden Herren, rauchend und in eifriger Unterhaltung begriffen. Der General, ein rotwangiger Mann von militärischem Aussehen, hatte unverkennbar einige Familienähnlichkeit mit seinem Bruder; er hatte etwas von seinen Zügen, etwas, wenn auch sehr wenig, von seiner freien, gebietenden Haltung, aber er war älter, kleiner, und sein Gesichtsausdruck war gewöhnlicher. Seine Ähnlichkeit war mehr die einer Karikatur, und er machte alles in allem neben dem Diktator einen ziemlich kläglichen Eindruck.
    Sie sprachen, obschon offenbar mit dem größten Interesse, doch so leise, daß Franz nur dann und wann ein Wort auffangen konnte. Aus dem wenigen, was er vernahm, glaubte er schließen zu dürfen, daß er selbst und sein Geschick den Gegenstand der Unterhaltung bilde, denn mehrmals traf der Name Scrymgeour sein Ohr, und noch häufiger glaubte er seinen Vornamen unterscheiden zu können.
    Schließlich stieß der General zornerfüllt heftig hervor:
    »Franz Vandeleur! Franz Vandeleur, sage ich dir!«
    Der Diktator machte mit seinem ganzen Körper eine halb abweisende, halb verächtliche Bewegung, aber seine Antwort war für den jungen Mann unhörbar.
    Ob er wohl der Franz Vandeleur war? Sprachen sie über den Namen, unter dem er verheiratet werden sollte? Oder war das Ganze nur ein Traum und ein Selbstbetrug seiner überreizten Einbildungskraft?
    Nachdem sie sich hierauf längere Zeit leise unterhalten hatten, schienen sie wieder uneins geworden zu sein, und von neuem ließ sich die zornige Stimme des Generals vernehmen.
    »Meine Frau?« rief er. »Ich bin mit ihr fertig. Ich will ihren Namen nicht mehr hören, es macht mich krank, wenn ich nur an sie erinnert werde.«
    Und

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