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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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werde aber trotzdem ganz einfach gehalten und gehe täglich mit einem Korb am Arme selbst auf den Markt, um Lebensmittel einzukaufen.
    Am Sonntag war Franz beizeiten auf seinem Platz im Theater. Da dieser besonders ausgewählt war, so ließ sich aus seiner Lage sicher ein Schluß ziehen, und Franz sagte sich bald, daß wahrscheinlich die Loge zu seiner Rechten in irgendeiner Beziehung zu dem Drama stehe, in dem er unwissentlich eine Rolle spielen sollte. Diese Loge lag so, daß ihn ihre Insassen, wenn sie wollten, von Anfang bis zu Ende der Vorstellung beobachten konnten, während sie selbst bei der Tiefe der Loge in der Lage waren, sich jeder Gegenbeobachtung zu entziehen.
    Aber erst, als der zweite und letzte Akt begonnen hatte, sah Franz, der die verdächtige Loge keinen Augenblick aus den Augen ließ, daß sich die Logentür auftat und zwei Personen hereinkamen, die sich sofort in den dunkelsten Teil der Loge zurückzogen. Franz war kaum imstande, seine Bewegung zu meistern.Es waren Herr Vandeleur und seine Tochter. Das Blut rollte ihm mit unheimlicher Schnelligkeit durch die Adern, die Ohren klangen ihm, und sein Kopf wirbelte. Er wagte nicht hinzublicken, um keinen Verdacht zu erregen. Auf dem Theaterzettel, den er von Anfang bis zu Ende immer wieder durchlas, tanzten die Buchstaben vor seinen Augen herum, und wenn er einen Blick auf die Bühne warf, schien sie ihm unermeßlich fern zu sein, und die Stimmen und Bewegungen der Schauspieler kamen ihm höchst abgeschmackt und lächerlich vor.
    Von Zeit zu Zeit wagte er einen schnellen Blick nach der ihn vor allen anziehenden Richtung zu werfen, und wenigstens das eine Mal war er überzeugt, den Augen des jungen Mädchens begegnet zu sein. Ein elektrischer Schlag durchzitterte seinen Körper, und er sah alle Farben des Regenbogens. Was hätte er nicht darum gegeben, der Unterhaltung der Vandeleurs lauschen zu können! Was hätte er nicht darum gegeben, wenn er den Mut gefunden hätte, sein Opernglas zu nehmen und sich über ihre Haltung und ihren Ausdruck zu vergewissern? Dort fiel, wie er annahm, die Entscheidung über sein ganzes Leben, und er war außerstande, einzugreifen oder auch nur der Verhandlung zu folgen, und sah sich dazu verurteilt, in ohnmächtiger Beklommenheit dazusitzen.
    Endlich war der Aufzug zu Ende. Der Vorhang fiel, und die Leute um ihn herum verließen ihre Plätze. Franz folgte mit möglichster Beschleunigung ihrem Beispiel. Als er aber gerade bei der Loge angelangt war und erwartungsvolleinen schnellen Blick hineinwarf, hätte er laut aufschreien mögen: die Loge war bereits leer, und ihre Insassen hatten offenbar das Theater verlassen. Mechanisch setzte er seine Füße wieder in Bewegung und ließ sich von der Menge willenlos aus dem Theater hinausschieben. Als das Gedränge auf der Straße aufhörte, blieb er stehen, und die kühle Abendluft brachte ihn bald wieder zu sich. Zu seiner Verwunderung schmerzte ihn der Kopf heftig, und er konnte sich an kein Wort des gesehenen Schauspiels erinnern. Nachdem die Aufregung gewichen war, empfand er ein überwältigendes Verlangen nach Schlaf, er winkte daher einer Droschke und fuhr im Zustande höchster Erschöpfung und Enttäuschung nach seiner Wohnung.
    Am nächsten Morgen lag er im Anschlag auf Fräulein Vandeleur bei ihrem Ausgange auf den Markt, und um acht Uhr sah er sie die Straße herunterkommen. Sie war einfach, ja ärmlich gekleidet, aber in der Haltung des Kopfes lag etwas Anmutvolles und Edles, das auch der dürftigsten Kleidung Glanz verliehen hätte. Selbst ihren Korb verstand sie so zu tragen, daß er ihr zur Zierde gereichte. Es kam Franz vor, als sei der Sonnenschein an ihre Fersen geheftet und fliehe der Schatten vor ihrem Schritt, und zum erstenmal wurde er sich bewußt, einen Vogel singen zu hören, dessen Käfig an einem der nächsten Häuser hing.
    Er trat in einen Torweg, ließ sie vorübergehen, schritt dann wieder hinter ihr her und rief ihr zu:
    »Fräulein Vandeleur!«
    Sie wandte sich um und wurde, als sie ihn bemerkte, totenbleich.
    »Verzeihen Sie mir,« fuhr er fort; »der Himmel weiß, ich wollte Sie nicht erschrecken, und es sollte auch der Anblick eines Menschen, der Ihnen so wohlgesinnt ist wie ich, nichts Erschreckendes für Sie haben. Und glauben Sie mir, ich handle eher unter dem Drange der Notwendigkeit als aus freiem Willen. In so vielen Punkten berühren sich unsere Interessen, und ich tappe ganz im Dunkeln. So vieles sollte ich tun, aber meine Hände sind

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