Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
fehlende Gleichgewicht der Märkte
Die Krise um die Staatsfinanzen enthüllt Zusammenhänge in einer Währungsunion, die zuvor sträflich vernachlässigt wurden.
Entgegen aller populären grauen Theorie kann es sehr wohl innerhalb |175| einer Währungsunion zu Leistungsbilanzkrisen und damit zu einem Schuldenproblem kommen. Der Grund dafür ist, dass der vermutete
längerfristige automatische Ausgleich der Leistungsbilanzsalden nicht stattfindet. Um das zu verstehen, möchte ich noch einmal
einen Ausflug in diese ideale Theorie machen. Demnach hätten Defizitländer, für die aufgrund ihrer Wettbewerbsprobleme ein
schwächeres Wachstum erwartet wurde, über geringere Inflationsraten über kurz oder lang eine Wende zum Besseren im Außenhandel
erreichen müssen. Umgekehrt hätte man erwarten können, dass Länder mit hohen Überschüssen ein höheres Wachstum und höhere
Inflationsraten aufweisen sollten, sodass für sie eher eine Wende zum Schlechteren im Außenhandel eintreten müsste. Beide
Tendenzen zusammen hätten auf Dauer zu einer Gleichgewichtssituation geführt. Und genau das ist nicht geschehen. Das Vertrauen
in Gleichgewichtsautomatismen erweist sich als nicht gerechtfertigt.
Hiefür gibt es zwei Gründe. Der eine ist die Geldpolitik, die einen einheitlichen Zins für den gesamten Euroraum festsetzt.
Dieser Einheitszins verhindert den Ausgleich. Denn ausgerechnet in Ländern mit hoher Inflationsrate führt diese Regel dazu,
dass es relativ billig ist, sich zu verschulden. Schließlich entwerten die Schulden sich über die höhere Inflationsrate relativ
schnell. Das trägt kurzfristig durchaus dazu bei, das Wachstum noch stärker anzutreiben. So sind Investitionen unter diesen
Umständen leicht zu finanzieren. Längerfristig bilden sich mit fortwährend hoher Investitionsneigung möglicherweise spekulative
Blasen. In jedem Fall bleiben die Inflationsraten hoch.
Umgekehrt verhält es sich in Ländern mit niedriger Inflationsrate. Hier ist es vergleichsweise teuer, sich zu verschulden.
Das Ergebnis sind niedrigere Investitionen und ein fortwährend gedrücktes Wachstum mit fortwährend niedrigen Inflationsraten:
kein Ausgleich in Sicht. Erst eine Krise, in der die Investitionsblasen platzen und die Schulden bleiben, erzwingt eine Umkehr.
Der zweite Grund ist der, dass innerhalb der Nationalstaaten Leistungsbilanzkrisen irrelevant sind und man daher auch keine |176| auf europäischer Ebene erwartete. Dabei wird gern übersehen, dass es innerhalb der Nationalstaaten kompensierende Mechanismen
gibt. In Deutschland ist das zum Beispiel der Länderfinanzausgleich. Er verhindert, dass einzelne Länder finanziell ins Bodenlose
fallen, während andere völlig vom nationalen Durchschnitt abheben. Man kann dies als eine Transfergemeinschaft bezeichnen,
und genau diese ist auf europäischer Ebene bislang politisch nicht erwünscht. Genau dann besteht aber auf einem Binnenmarkt
und bei einheitlicher Geldpolitik das Risiko von Leistungsbilanzkrisen, mit der Gefahr, dass sich einzelne Mitglieder überschulden.
Die Überschuldung trifft in der Krise nicht nur den Schuldner selbst, sondern auch seine Gläubiger, die ihr Kapital dann teilweise
abschreiben müssen.
Das müsste eigentlich auch die bittere Erkenntnis für die Wirtschaftpolitik in Deutschland sein: Fortwährende Lohnzurückhaltung
führt zur Kapitalvernichtung. Sie ist also auf längere Sicht nicht einmal im Interesse derer, die kurzfristig von ihr profitieren.
Ich meine die Unternehmen oder Privatanleger, die ihr Vermögen durch die (als Folge der gedrückten Löhne) hohen Renditen steigern
konnten und es dann im vermeintlich dynamischeren Ausland anlegten. Mit den Blasen platzten viele Hoffnungen auf Rendite.
Des Reichtums fette Beute fault, wenn sie nicht solide erwirtschaftet ist.
Der Verlauf der Krise – ein zweites Zwischenfazit
Die Krise entfaltete sich erst langsam und dann dramatisch im Finanzsektor, griff mit bislang unbekannter Geschwindigkeit
auf die Industrie über, um schließlich in eine staatliche Schuldenkrise zu münden. Das zeigt, wie die Lasten der Krise gewandert
sind und wie sie letztlich bei der Allgemeinheit landeten. Dies ist der nahezu zwangsläufige Verlauf sozialer Risikolagen.
Sie sind weder individuell zu bewältigen noch, ab einer gewissen Größe, von einem einzelnen |177| oder mehreren Sektoren einer Volkswirtschaft. Nur die Gesellschaft als Ganzes kann das
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