Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
erhöhten sich die Staatsschulden in
Spanien und Irland, wo der Immobiliensektor einbrach beziehungsweise die Banken große finanzielle Unterstützung benötigten.
In Griechenland stieg das Defizit vor allem deshalb an, weil das Land die zuvor falschen Zahlen korrigieren musste.
Im Kern ist der jüngste Anstieg der Staatsschulden ganz klar eine Folge der Krise. Der Staat übernimmt am Ende den Großteil
jener Kosten, die durch die Krise entstanden sind. Und der Staat, das sind die Bürger, genauer gesagt die Steuerzahler. Und
das ist doch der eigentliche Skandal. Sie müssen letztendlich für alles aufkommen: für die gravierenden Fehler in der Regulierung
des Bankensektors, für das intellektuelle Versagen des ökonomischen Mainstreams und für das wirtschaftspolitische Desaster
einer forcierten Ungleichheit.
Es ist zu befürchten, dass im Zuge der künftig notwendigen Konsolidierung der Staatsfinanzen in der nächsten Runde auch noch
die Empfänger staatlicher Leistungen zur Kasse gebeten werden. Das |169| werden voraussichtlich genau die Menschen sein, deren Einkommen im Vorfeld der Krise durch den Renditedruck der Finanzmärkte
besonders gelitten haben – jene, die vor der Krise am unteren Ende der Einkommensskala waren und die diese Art der Krisenbewältigung
noch weiter nach unten drücken wird. Die Ungleichheit der Einkommen vergrößert sich. Auf diese Weise wird die finanzielle
Abwicklung dieser Krise zum Humus für die nächste Krise. Offensichtlich hat niemand etwas gelernt.
Wie wenig überzeugend die gesamte Strategie vor allem im Euroraum war, zeigte sich im Herbst 2009 und im Frühjahr 2010 an
der Reaktion der Kapitalmärkte. Der globale Anstieg der Staatsverschuldung weckte erste Zweifel an der Solvenz der staatlichen
Schuldner. Bemerkenswert war, dass sich diese Zweifel auf den Euroraum konzentrierten – aber auch in gewisser Hinsicht konsequent.
Warum ist das so?
Das hat etwas mit der Struktur des Euroraums zu tun. Anders als in den USA oder anderen etablierten Staatsgebilden ist der
Euroraum ein Zusammenschluss souveräner Einzelstaaten, die allerdings durch einen Binnenmarkt mit gemeinsamer Währung verbunden
sind. Vor der Krise beschränkte sich die wirtschaftspolitische Koordination auf die gemeinsame Geldpolitik durch die EZB und
die Beschränkung der Defizite in den öffentlichen Haushalten sowie der Höhe der Staatsverschuldung.
Die Krise enthüllte die Unzulänglichkeit dieses institutionellen Rahmens. Hinweise darauf gab es viele: die ausufernden Leistungsbilanz-Ungleichgewichte,
die Schwierigkeiten, eine koordinierte Regulierung der Finanzmärkte zu erreichen, den holprigen Weg zu abgestimmten Konjunkturprogrammen
und vor allem den ratlosen Umgang mit der hohen Staatsverschuldung. Die durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegebenen
Schranken wurden von fast allen Mitgliedsstaaten verletzt, weshalb die EU-Kommission pflichtgemäß gegen fast alle Mitglieder
ein Verfahren wegen exzessiver Haushaltsdefizite eröffnete. Es drohte nun die kollektive Selbstbestrafung des gesamten Euroraums,
oder – weil fast alle betroffen waren – es würde |170| im Gegenteil gar nichts geschehen. Es erscheint mir ganz logisch und folgerichtig, dass ein so offensichtlich ungenügendes
institutionelles Gefüge Zweifel und Ratlosigkeit hervorruft. Die Frage war nur: Wo und wie würde sich der Zweifel ökonomisch
niederschlagen?
Eine griechische Tragödie
Die sensiblen Kapitalmärkte reagierten als Erste. Auslöser waren die Korrekturen der griechischen Regierung zur Höhe der öffentlichen
Haushaltsdefizite. Sie wurden merklich angehoben. Das löste viele Fragen aus. War dies tatsächlich das letzte Wort zu den
griechischen Defiziten, oder waren die in Wirklichkeit noch viel höher? Wie sollte man auf nationaler und auf europäischer
Ebene mit diesen Schulden umgehen? War Griechenland überschuldet? Würde Griechenland von den übrigen Euroländern unterstützt
werden? War womöglich der Euro in Gefahr?
Mit all diesen Fragen begann im Oktober 2009 erst zögerlich und sich dann immer stärker beschleunigend der Anstieg der Risikoprämien
auf griechische Staatsanleihen. 52 Die treibenden Kräfte waren die Ratingagenturen und jene Anleger, die vor allem über CDS-Papiere und Leerverkäufe auf eine
Insolvenz des griechischen Staates spekulierten. Die Ratingagenturen stuften im Laufe der Zeit die Bonität Griechenlands immer
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