Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
und befeuerten damit einen Anstieg der Risikoprämien. Höhere Risikoprämien verteuerten aber die Refinanzierung
der griechischen Staatsschuld und machten damit eine Insolvenz immer wahrscheinlicher. Das ist also ein sich selbst verstärkender
Prozess in Richtung Insolvenz. Je länger er dauert, desto stärker wird er – und desto schwieriger ist er zu stoppen.
Für die Beschleunigung gibt es auch noch einen anderen Grund. Mit dem immer schlechteren Rating waren institutionelle Anleger
wie Banken und Lebensversicherungen, die griechische Staatsanleihen beaßen, aus regulatorischen Gründen dazu gezwungen, diese
entweder zu verkaufen oder sie in ihren Bilanzen entsprechend dem |171| Wertverlust abzuschreiben. Das erhöhte den Druck auf den Markt und trieb die Zinsen weiter nach oben. Damit kam Griechenland
in eine immer schwierigere Lage, die im April 2010 fast außer Kontrolle geriet. Irgendwann stellten sich Anleger dann zu Recht
die entscheidende: Frage: Würde Griechenland bei den hohen Zinsen seine Schulden, die zudem noch zum Großteil im Besitz ausländischer
Anleger sind, überhaupt noch bedienen können? Das trieb die Zinsen noch höher. Eine zerstörerische Spirale nahm ihren Lauf.
Ähnliches wird ein halbes Jahr später im Fall Irlands zu beobachten sein.
Die Brisanz war nicht nur das Ergebnis einer nüchternen Schuldenstandsanalyse des griechischen Staates. Man hatte im Zuge
der Diskussion auch ein institutionelles Vakuum entdeckt. Es war völlig unklar, wie der Euroraum als Verbund souveräner Staaten
mit der Überschuldung eines seiner Mitgliedsländer umgeht. Auf diese Frage gibt es im gesamten Regelwerk des Euroraums keine
Antwort – da steckt das Vakuum. Eine solche Situation tiefer Unsicherheit in Kombination mit verfälschten Zahlen ist eine
Einladung an Spekulanten, sich ihrer Wettleidenschaft zu widmen. Und genau das geschah. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert,
dass insbesondere im angelsächsischen Raum, wohl auch aus politischen Gründen, stark auf den Zerfall der Währungsunion gesetzt
wurde.
Im Zuge der Griechenlandkrise zeigte sich aber auch, dass durch die gemeinsame Währung die konventionelle Reaktion von Staaten
auf hohe Schulden, nämlich eine Abwertung der eigenen Währung, nicht mehr möglich ist – aus dem einfachen Grund, dass es die
eigene Währung nicht mehr gibt. Ebenso wenig greifen jene innerstaatlichen Mechanismen wie ein Länderfinanzausgleich, mit
dem Staaten regionale Ungleichgewichte üblicherweise auszugleichen versuchen. Solchen Mechanismen steht der politische Widerstand
gegen eine Transferunion entgegen. Es ist also völlig ungeklärt, wie die europäischen Institutionen mit einer Überschuldungssituation
innerhalb des Euroraums umgehen sollen.
Die ohnehin schwierige Lage wurde leider vor allem durch die Bundesregierung, hinter der sich die Regierungen einiger kleinerer |172| Länder versteckten, in unverantwortlicher Weise verschärft. Sie tat zunächst nämlich einfach nichts, und sie lehnte es, unter
dem kräftigen Beifall des Boulevards, auch ab, etwas zu tun. Ich erinnere mich noch an die spöttischen und höhnischen Bemerkungen,
die Griechen könnten einfach nicht haushalten, oder die »gut gemeinten« Ratschläge, dass Griechenland doch seine Inseln verkaufen
könne, für die es ja sicherlich Interessenten gebe – es war ein würdeloses Spektakel, für das man sich als Europäer schämen
muss.
An diesem unschönen Beispiel zeigt sich erneut die Unfähigkeit oder der Unwille breiter politischer Kreise, gesamtwirtschaftlich
zu denken und zu handeln. Der Euroraum ist ein Binnenmarkt, und die Wirtschaftspolitik muss sich folglich immer den Anforderungen
des gesamten Binnenmarktes stellen. Man kann nicht einfach einen Teil des Marktes abschneiden oder ausblenden. Die Verantwortung
für einzelne Regionen dieses Marktes kategorisch zu negieren und so zu tun, als gehe Griechenland die Bundesregierung nichts
an, ist realitätsfern und auf Dauer nicht durchzuhalten. Auf diese Weise wurde die Unsicherheit nicht vermindert, sondern
sogar erhöht. Was wäre, wenn uns so etwas passierte?
All das war den Händlern auf den globalen Finanzmärkten wohlbewusst. Nun begannen die nächsten Wettrunden, und die Spekulation
auf einen Niedergang Griechenlands heizte sich weiter auf. Und es kam noch schlimmer. Da sich die Haushaltslage in anderen
Staaten des Euroraums, in Spanien und Irland, ebenfalls
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