Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
dramatisch verschlechterte, kam es zu noch mehr Spekulationen. Folglich
stiegen für die Staatsanleihen der betroffenen Länder die Risikoprämien drastisch an. Die Krise der Staaten gewann an Breite.
Im Mai 2010, als die Börsen schon sehr nervös wurden, lenkte die Bundesregierung endgültig ein, und es kam zu einem gemeinsamen
Rettungspaket von EU-Kommission und IMF für Griechenland. Außerdem wurde ein Rettungsschirm für alle Euroraum-Länder aufgezogen,
den die Staaten in finanziellen Notlagen in Anspruch nehmen können. Beide Maßnahmen erlauben es den Krisenländern, ermöglicht
durch die Garantien der übrigen Staaten, Kredit unter |173| dem Marktzins aufzunehmen. So können sie die hohen Risikoprämien vermeiden. Parallel zu diesen Aktionen begann die EZB, Staatsanleihen
dieser Länder ohne Rücksicht auf deren Rating aufzukaufen.
Dies war in verschiedener Hinsicht ein besonders wichtiger Schritt. Die EZB stabilisiert so den Kurs für die entsprechenden
Staatsanleihen. Das schafft Vertrauen bei den Gläubigern und verminderte zugleich die Zinsbelastung für die Schuldner. Ferner
reduzierte sich der Abschreibungsbedarf bei den institutionellen Gläubigern, also vor allem Banken und Lebensversicherern.
Das gibt Halt in der immer noch unsicheren Lage des Finanzsystems. Viele Banken verkauften zudem Staatsanleihen an die EZB
und verminderten so ihre Risiken.
Vor allem aber war dies auch ein Signal an die Ratingagenturen, dass ihr Urteil für die EZB nun ohne Bedeutung war. Man kann
also getrost vom Anfang vom Ende ihres überzogenen Einflusses sprechen. Mit all diesen Schritten – Rettungsschirm, Garantien
und Zentralbankkäufe von Staatspapieren – gelang es, die Märkte halbwegs zu beruhigen, auch wenn es immer wieder, bei jeder
schlechten Nachricht über das Wirtschaftsgeschehen in diesen Ländern, Unsicherheiten gab und Panikverkäufe aufflackerten.
Insbesondere verschafften diese Schritte den unter Druck geratenen Staaten eine Atempause an den Finanzmärkten. Für die Laufzeit
des Rettungsschirms brauchen sie de facto den Kapitalmarkt nicht in Anspruch zu nehmen. Damit sind sie unabhängig von den
hysterischen Wellenbewegungen des Kapitalmarktes in Krisenzeiten.
Die Unterstützung der Gemeinschaft der Euroraumstaaten hat in Verbindung mit den Interventionen der EZB die in Bedrängnis
geratenen Mitglieder der Währungsunion gerettet. Wieder einmal zeigte sich auch in diesem Stadium der Krise, dass soziale
Risiken, die immer mit gravierenden Unsicherheiten für viele verbunden sind, nur durch Kooperation und durch gemeinschaftliches
Handeln aufgefangen werden können. Viele Medien, Politiker und Ökonomen vertreten dennoch die weit verbreitete und durch die
vorherrschende |174| Theorie gestützte Sichtweise, dass solche Notsituationen stets individuell interpretiert und gelöst werden sollen. Das aber
wird der prinzipiellen Natur des Problems nicht gerecht.
Diese Philosophie des Einzelfalls wurde besonders im Falle Griechenlands anfangs breit ausgewalzt. Die Vorwürfe reichten von
der vermeintlichen notorischen Faulheit aller Griechen und Südländer bis hin zum kollektiven Betrug an Europa. Folglich seien
auch nur sie allein dafür verantwortlich, ihre Notlage zu überwinden. Es sollte keinerlei finanzielle Unterstützung durch
die übrigen Euroraum-Staaten gewährt werden.
Diese Haltung hatte vor allem in Deutschland einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Das ist einerseits verständlich. Schließlich
war man selber über ein Jahrzehnt lang außerordentlich bescheiden gewesen und hat in der Ära des Lohndrucks massive Einbußen
des eigenen Lebensstandards hingenommen. Zweifellos wurden in Griechenland, aber auch in Spanien und Irland gravierende wirtschaftspolitische
Fehler begangen. Andererseits sind aber auch jene Länder, die mittels Lohndruck und Umverteilung ihr Wachstum auf Exportüberschüsse
gründeten, mitverantwortlich für die Krise der Staatsfinanzen in diesen Ländern. Da müssen sich die Deutschen auch an die
eigene Nase fassen. Aus dieser Verantwortung können sie sich nicht einfach mit dem Rückgriff auf Klischees wegstehlen. Ob
sie es nun wahrhaben wollten oder nicht: Die Bewältigung der Krise in Griechenland (oder Spanien oder Irland) ist eine Angelegenheit
aller Mitgliedsländer des Euroraums. Beide Seiten müssen sich in einer Währungsunion stabilitätsgerecht verhalten und sich
entsprechend anpassen.
Das
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