Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Wirtschaftspolitik besteht also darin, Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt zu schaffen, die
den Unsicherheitsfaktor vermindern. Dazu braucht es sicherlich ein gewisses Maß an Lohnrigidität. Die Kurzarbeitsregelung
während der Krise ist ein Ansatz, der sich als erfolgreich erwiesen hat. Mit einer Mischung aus tariflich vereinbartem Lohn-
und Gewinnverzicht und |186| staatlichen Subventionen konnten die Einkommen der Kurzarbeiter stabilisiert und die wirtschaftliche Sicherheit der Beschäftigten
erhöht werden. Auf diese Weise wurde ein stärkerer Einbruch der Binnennachfrage in Deutschland verhindert. Auf diesen Erfahrungen
und Erkenntnissen müssen wir aufbauen. Wir sollten die Arbeitsmarktpolitik stärker als bisher als einen Baustein in einer
wirtschaftspolitischen Strategie verstehen, deren Ziel es ist, Unsicherheit für die gesamte Volkswirtschaft zu vermindern.
Was Verteilungsgerechtigkeit für uns bedeutet
Es ist lange her, dass Verteilungerechtigkeit eine wesentliche Rolle für die Wirtschaftspolitik gespielt hat. Das Thema wurde
zwar von Interessenverbänden oder von professionellen Moralisten immer mal wieder ins Spiel gebracht. Die meisten aber begriffen
Verteilungsgerechtigkeit als eine Frage der gesellschaftlichen Moral, über die man trefflich streiten kann, die aber mit dem
wirtschaftspolitischen Kerngeschäft nichts zu tun hat. Im Gegenteil, wirtschaftspolitische Professionalität zeigte sich anscheinend
am besten in der dezidierten Vernachlässigung von Verteilungsfragen. Schließlich war man vollauf damit ausgelastet, den Kuchen
des wirtschaftlichen Erfolgs immer größer zu machen. Wer diese einzelnen Stücke letztlich bekam, war im Grunde völlig egal
und interessierte niemanden so richtig. Wenn es darum ging, den Kuchen zu vergrößern, schien die Beschäftigung mit dieser
Frage sogar eher hinderlich.
Ohne Zweifel geht es bei der Verteilungsgerechtigkeit um eine moralische Angelegenheit. Darüber lässt sich auf der Basis verschiedener
Gerechtigkeitsprinzipien sicherlich streiten. Das soll aber hier nicht das Thema sein. Die Krise hat doch noch etwas viel
Fundamentaleres gezeigt. Die weitgehende wirtschaftspolitische Vernachlässigung von Verteilungsfragen trägt entscheidend dazu
bei, dass Krisen überhaupt erst entstehen. Es geht also nicht nur um eine Frage der Moral, es geht auch um die Funktionalität
der Marktwirtschaft. Mit anderen |187| Worten: Die Größe des zu verteilenden Kuchens hängt wesentlich davon ab,
wie
er verteilt wird. Wachstum und Verteilung sind keine unabhängigen Größen.
Diesem Punkt dürften übrigens selbst harte neoliberale Wirtschaftspolitiker zustimmen. Ihre Schlussfolgerung führt dennoch
zu einem Verzicht auf jegliche Verteilungspolitik, da sie diese Frage dem Markt alleine überlassen wollen. Das aber sind genau
die Tendenzen, die den Beutezug des Reichtums ermöglicht haben – der uns wiederum letztlich in die Krise geführt hat.
Wer Krisen verhindern will, muss es genau andersherum sehen. Indem die Verteilung der Früchte des Wachstums in vielen Volkswirtschaften,
vor allem in Deutschland und den USA, zunehmend dem Markt überlassen wurde, erzeugte man durch geballten Reichtum ein Krisenpotenzial,
das durch die entfesselten Finanzmärkte zum Explodieren gebracht wurde. So sehe ich den Zusammenhang.
Die zukünftige Wirtschaftspolitik muss wissen, dass es verteilungspolitischer Maßnahmen bedarf, um eine Volkswirtschaft krisenfest
zu machen. Diese Maßnahmen müssen darauf abzielen, Wachstumserfolge in Form höherer Realeinkommen allen Bevölkerungsschichten
zugute kommen zu lassen. Jeder soll sein Stück vom Kuchen haben. Nur auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass sich immer
mehr Reichtum zusammenballt. Reichtumsklumpen erhöhen die Risiken einer Volkswirtschaft. Sie vermindern die soziale Durchlässigkeit
einer Volkswirtschaft, was auf längere Sicht Talente und damit Wachstumschancen vergeudet. Sie erzeugen außerdem ein vermindertes
Risikobewusstsein. Für Menschen mit hohen Einkommen ist der letzte verdiente Euro weitaus weniger wert als für Menschen mit
niedrigeren Einkünften. Folglich sind sie auch eher bereit, diesen Euro durch riskante Finanzoperationen aufs Spiel zu setzen.
Eine gleichmäßigere Streuung der Einkommen würde daher zu weniger riskanten finanziellen Abenteuern führen. Und das senkt
die gesamtwirtschaftlichen Risiken. Eine gleichmäßigere Einkommensverteilung
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