Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
vergangenen Jahren weitgehend in Vergessenheit geraten –
ich denke, weil es so schwer zu erreichen schien: Es geht um Vollbeschäftigung. Erst in jüngster Zeit, als sich herausstellte,
dass die Finanzkrise nicht ungebremst auf den Arbeitsmarkt durchschlagen muss, wenn man ihr rechtzeitig mit einer intelligenten
Arbeitsmarktpolitik begegnet, taucht die Vollbeschäftigung als ferne Möglichkeit wieder in den wirtschaftspolitischen Debatten
auf.
Vollbeschäftigung heißt, dass jeder, der Arbeit will, auch Arbeit findet. Das hört sich doch gut an. Aber noch ist Deutschland
davon meilenweit entfernt. Die Entfernung zum Ziel sagt aber nichts darüber aus, ob wir uns dieses Ziel nicht doch wünschen.
Und wünschenswert ist die Vollbeschäftigung allemal. Sie ist ein Zustand wahrhaftiger ökonomischer Freiheit. Vor allem anderen
befreit sie von den materiellen und immateriellen Zwängen der Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die schon einen Job haben, können
dann auch eher wechseln und dadurch ihre Einkommens- und Lebenssituation verbessern. Außerdem wird die Integration bisher
gar nicht oder nicht mehr hinreichend beschäftigter Menschen in den Arbeitmarkt leichter. Das betrifft vor allem Frauen und
ältere Erwerbstätige.
Vollbeschäftigung hat zudem indirekt eine wichtige Funktion als Sicherheitspuffer für Krisenlagen. Falls die Wirtschaft auf
Talfahrt geht, wird die Beschäftigung unweigerlich leiden. Dieses Leiden ist umso geringer, je höher das Ausgangsniveau der
Beschäftigung ist. Herrscht Vollbeschäftigung, dann können die Beschäftigten im Vorfeld einer Krise mehr Rücklagen bilden.
Es fällt ihnen entsprechend leichter, schwierige Phasen zu überbrücken. Falls eine Krise auf eine schon lange anhaltende Phase
der Unterbeschäftigung trifft, ist das nicht der Fall, und die Arbeitlosen sind viel mehr auf die Transferleistungen der Sozialversicherung
oder des Staates angewiesen. Und je länger jemand arbeitslos ist, umso schlechter sind seine Chancen, dass er eine neue Arbeit
findet. Herrschte vorher Vollbeschäftigung, |193| wird Arbeitslosigkeit in einer nachfolgenden Krise mit höherer Wahrscheinlichkeit kein Dauerzustand sein, da die dann Arbeitslosen
nur geringe Qualifikationsverluste aufweisen. Daher werden die Arbeitslosen bei einem Anziehen der Konjunktur recht schnell
wieder eine neue Stelle finden. Ist die Phase der Unterbeschäftigung relativ lang, droht sich die Arbeitslosigkeit zu verfestigen.
Es wird schwer sein, sie zu überwinden.
Das alles spricht für die vollbeschäftigte Wirtschaft, auch wenn der Weg dahin lang sein kann. Dieses Ziel sollte bei allen
wirtschaftspolitischen Entscheidungen nie aus den Augen verloren werden. Vollbeschäftigung passt außerdem gut zu den anderen
Prinzipien einer vernünftigen Wirtschaftspolitik. Sie erhöht die Stabilität der Einkommen und sie erleichtert die Durchsetzung
von Verteilungsgerechtigkeit.
Die Finanzmärkte zähmen
Einer der ersten und wichtigsten Schritte zu einer gerechten, stabilen und zugleich dynamischen Wirtschaft besteht darin,
die Finanzmärkte neu zu gestalten. Das ist notwendig, um die Risiken zu begrenzen und die Anreize für realwirtschaftliche
Investitionen zu steigern. Nur diese Investitionen werden auf Dauer zu neuen und zusätzlichen Arbeitsplätzen führen – das
ist doch eine gute Alternative zu einer Entwicklung, an deren Ende eine geplatzte Spekulationsblase steht, oder?
Zunächst muss es gelingen, den Aktionsradius der Finanzmärkte einzuschränken. Das wird die Renditeerwartungen verringern.
Manche Aktivität wird teurer werden, vielleicht sogar zu teuer, um sie weiter anbieten zu können. Manches wird man sogar verbieten
müssen. Im Ergebnis wird der Finanzsektor tendenziell schrumpfen. Nicht jede Bank, nicht jeder Finanzmarktakteur wird diesen
Schrumpfungsprozess überleben. Das ruft Widerstand hervor, den |194| ich mir lebhaft vorstellen kann. Die Lobbyisten des Finanzbereichs werden das Gespenst namens »Arbeitslosigkeit in Verbindung
mit Kapitalmangel« an die Wand malen. Davon sollte man sich nicht weiter erschrecken lassen. Die einzig berechtigte Furcht
ist die vor einem Zusammenbruch des Finanzmarktes, der weltweit Millionen von Arbeitsplätzen und Milliarden an Stabilisierungsgeldern
kostet. Das würde die Volkswirtschaften
wirklich
in eine tiefe Krise stürzen. Aber gerade um dies zu vermeiden, ist es notwendig, die Aktivitäten des Finanzsektors zu
Weitere Kostenlose Bücher