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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Brennens auf der Zunge, war durchaus angenehm.
    Kaum war es durch meine Kehle geronnen, als explosionsartig ein Gefühl einsetzte, als würde von innen die Luft aus mir herausgeblasen und durch verdampfenden Alkohol ersetzt. Augen und Nase füllten sich mit Wasser, und was ich einatmete, roch und schmeckte nach ätherischen Ölen. Hinter meinen Lidern funkelten irisierende Sterne, die den Himmel abwechselnd in smaragdenes Grün, Scharlachrot sowie ein kobaltglitzerndes Blau tauchten.
    Als ich die Augen aufriss, verschwanden zwar Himmel und Sterne, doch die Farben und ihr Wechsel blieben. Durch sie sah ich nebelverhangen einen anderen Wechsel, und der vollzog sich mit der Hexe. Ihr Gesicht schien sich unmerklich zu weiten, wobei sich ihre Haut in einem Maße straffte, dass nicht ein einziges Fältchen übrig blieb. Ihr krummer Zinken schrumpfte zu einer kleinen Nase mit anmutig geschwungenen Flügeln. Ihre Figur wuchs und begradigte sich, erschlankte da und rundete sich dort, bis schließlich ein Weib vor mir stand, das mich verstehen ließ, warum die Griechen unter schwersten Opfern zehn Jahre lang gegen Troja angerannt waren. Obendrein strahlte mich diese perfekte Schöpfung an Weiblichkeit mit perlgleichen Zähnen so verführerisch an, als sei ich der einzige Mann auf Erden.
    Ich musste unwillkürlich meine Arme und womöglich sonst noch einiges andere nach ihr ausgestreckt haben, denn sie wich mit einem spöttischen Lächeln und dem Bemerken vor mir zurück: »Du siehst mit diesem Trank im Leibe Helenen bald in jedem Weibe.« Worte, wie ich sie eher von einem Dichterfürsten als von einer Hexe erwartet hätte.
    Bevor ich noch länger darüber nachgrübeln konnte, löste sich mein Traumgebilde in bunte Schleier auf, und ich war allein im Raum.
    Hatte sich dies alles vor meinen Augen abgespielt, so war mir nun, als würden sich plötzlich meine Ohren schärfen, dass ein Luchs gegen mich als schwerhörig gelten müsste. Das Tupfen einer Fliege gegen das Fenster hallte wie Paukenschläge. Das Flattern einer Motte über die staubtrockenen Kräuterbüschel erinnerte an das Trampeln von Pferdehufen. Und das Herabgleiten einer Spinne an ihrem Faden ließ einen Ton hören, als fahre ein Musikant mit dem Fingernagel eine Saite entlang.
    All diese Klänge verstärkten sich mehr und mehr, bis ihre Kakophonie hier drinnen eine Gewalt erreicht hatte, die mich zu erschlagen drohte.
    Fluchtartig rannte ich nach draußen, wo mich gleich beim Überqueren der Schwelle eine vollkommene Stille umfing. Der Unterschied war so monströs, dass ich versuchte, mit meinen Fingern Wachs aus den Ohren zu reißen, das Odysseus selbst mir zum Schutz vor den Verlockungen der Sirenen hineingeträufelt haben musste.
    Als alles nichts half, machte ich mich auf den Weg durch die helle Tonlosigkeit, um einen kühlen Bach zu finden, in den ich meinen Kopf stecken konnte.
    Nach wenigen Schritten wusste ich nicht mehr, wo ich war. Die Landschaft hatte sich verändert, ich marschierte an sonnenbeschienenen Wacholderbüschen vorbei über warmen, sandigen Heideboden. Augen und Ohren normalisierten sich wieder, und allmählich stellte sich ein Gefühl allumfassenden Wohlbehagens ein, in dem ich wie auf einer weichen Wolke vogelgleich durch die Landschaft schwebte.
    Dieser herrliche Zustand schwerelosen Genießens hätte meinetwegen bis zum Ende aller Tage andauern können, hätte die Szenerie nicht Veränderungen erfahren, die zunehmend bedrohlicher wurden.
    Aus den phantastischen Farben wurde ein verwaschenes Schmutziggraubraun, das alles überlagerte. Die Bäume, zwischen denen ich mich bewegte, hatten ihr Laub verloren und ließen knotige Äste wie die gichtigen Arme eines Krüppels nach mir greifen. Sie rückten näher zusammen und zwangen mich, auf unbewachsene Flächen aus Treibsand auszuweichen, in den ich bis zu den Knien einsank. Ich kam nur mehr mit der Geschwindigkeit einer Schnecke voran und musste doch dazu alle meine Kraft aufbieten.
    Endlich erreichte ich inmitten dieses lebendigen Sandmeeres einen massiven Felsen, hinter dem sich der Eingang einer Höhle verbarg. Obwohl mir aus ihrem Schlund ein infernalischer Pestatem vergleichbar dem Brodem des Dorstener Kerkers entgegenwehte, zog es mich zu ihr hinab.
    Konnte ich anfangs noch aufrecht ausschreiten, wurde die Decke bald mit jedem Schritt niedriger. So niedrig, dass ich nach wenigen Metern mit meinem Kopf dagegen stieß. Aber es verursachte mir keinen Schmerz, denn sie war nicht hart wie

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