Des Satans Schatten
dich zufrieden stellt, werde ich mich gleich morgen wieder auf den Weg zur Alten machen und sie fragen. – Doch nun, was hast du sonst noch herausgebracht in deiner wunderbar direkten Art? Hast du Bühler auch so ohne Umschweife angesprochen?«
Ich sehe es ein, meine gerecht denkenden Freunde, dass ich den guten Johannes nicht so anfahren sollte, hatte ich mich bei Stiena doch auch für den Frontalangriff entschieden. Bei ihr war es mir jedoch so erschienen, als gäbe es vor ihr keine Geheimnisse, als würde sie vielmehr alle meine Fragen bereits im Voraus kennen. Bühler hingegen machte mir diesen abgefeimten Eindruck, den ein Mann mit den Erfahrungen meiner Profession leicht erkennt. Wollte man bei ihm zum Ziel gelangen, musste man listenreicher vorgehen, wollte man ihm eine nützliche Antwort entlocken.
Ossenstert fühlte sich von meinem unterschwelligen Vorwurf nicht getroffen. »Bühler war überhaupt nicht da. Unterwegs in Geschäften, so hieß es. Bereits seit gestern. Aber morgen Abend würde er zurück sein, so hieß es, oder auch erst einen Tag später. Und ...«
»Und von wem hieß es so, mein Freund? Wer auf der Burg weiß so genau über seine Pläne Bescheid?«
»Na, der Mann, der so was alles wissen muss, weil das zu seinen Aufgaben gehört. Der Verwalter, wer sonst? Er wird mich auch gleich benachrichtigen, wenn Bühler wieder zu sprechen ist.«
Mir leuchtete zwar nicht ein, dass sich ein Verwalter auch um die Zeiteinteilung eines Gastes seines Herrn kümmern musste, aber es würde nicht das Geringste bringen, über diesen nebensächlichen Aspekt mit meinem Freund zu rechten. Ich war froh, dass sein Zorn über meinen angeblichen Vorwurf seiner verspäteten Obduktion so schnell verraucht war.
Also hakten wir das Thema Pergament einstweilen ab und widmeten uns der Leerung des Weinkruges, was kaum eine halbe Stunde in Anspruch nahm.
Wie so oft, fallen einem die besten Fragen erst im Nachhinein ein. So auch jetzt, als mein Freund bereits wieder gegangen war. Ich hätte nämlich noch gerne von ihm gewusst, ob man auch bei dem für Gertrudis zubereiteten Gebräu den Teufelsfuß zur Erhaltung der Wirkung erst kurz vor dem Trinken hinzugeben muss. Doch wahrscheinlich konnte er diese Frage, da er die übrigen Ingredienzien nicht kannte, gar nicht beantworten. Besser wäre es auf jeden Fall, direkt aus der Quelle zu schöpfen. Und deshalb wartete ich nicht erst bis zum nächsten Tag, sondern machte mich zu dieser frühen nachmittäglichen Stunde erneut auf den Weg zur Hütte im Wald.
Den hätte ich mir allerdings sparen können, die Alte war nicht zu Hause. Ich rief einige Male ihren Namen, doch niemand antwortete. Außer dem leisen Rauschen der Blätter, in denen der Wind spielte, und dem vielstimmigen Gesang der Vögel war nichts zu hören.
Misstrauisch, wie mich meine Profession gemacht hatte, trat ich dennoch ein und sah mich kurz in ihrer Behausung um. Alles war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Zu meiner Erleichterung fehlten jede Unordnung und Spuren einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Ich schüttelte vor mir selbst den Kopf und schalt mich einen Narren. Das Gefühl, mit meinen Nachforschungen auf der Stelle zu treten, hatte meine Nerven überreizt, dass nicht mehr viel fehlte, um in jedem Eichhörnchen einen Waldgeist zu sehen. Vermutlich war sie einfach unterwegs, um wieder irgendwelche Kräuter zu sammeln.
Ich umrundete die Hütte einmal im weiten Bogen, rief erneut und vergeblich ihren Namen und machte mich sodann unverrichteter Dinge auf den Rückweg.
Dabei glaubte ich, hauchdünn das für sie so typische meckernde Lachen zu hören, und zwar aus der Luft über mir. Natürlich war da nichts außer einem Schwarm tschilpender Spatzen, die sich über mich lustig zu machen schienen, sodass mir meine Vernunft dringend riet, mich in die nächste Schenke zu begeben und mir einen Branntwein kredenzen zu lassen. Und wie ihr wisst, meine rationalen Freunde, ist euer alter Frederik kein Mann, der sich gegen die Vernunft sperrt.
Weil der Pfad in der Nähe des Häuschens der Grete Dreven vorbeiführte, verhielt ich in einiger Entfernung kurz meinen Schritt in der Hoffnung, mir selbst ein Bild von Rodgers Angebeteter machen zu können. Was ich zu Gesicht bekam, waren an die zehn Kinder, die sich auf einer Wiese neben einem kleinen Fachwerkhaus um eine Frau geschart hatten, die sie mit Brot und Käse versorgte. Mit bunten Blumen in einem winzigen Garten und einer weißen Holzbank neben der
Weitere Kostenlose Bücher