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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Granit, sondern nachgiebig wie ein lebendes Wesen. Lederne Haut kleidete Boden, Wände und Decke aus wie der straffe Bezug eines gepolsterten Throns.
    Noch ein paar Schritte und die glatte Oberfläche zeigte hier und da kleine Ausstülpungen, die mit jedem weiteren Eindringen in die Tiefe anwuchsen. Zunächst in der Form winziger Zweige, dann Verästelungen, nahmen sie schließlich zu meinem Erschauern die Konturen menschlicher Gliedmaßen an. Aus den Wänden ragten Füße hervor, aus dem Boden bohrten sich gekrümmte Knie samt der Schenkel nach oben, und aus der Höhlendecke wuchsen dünne Arme, deren Hände in schlafwandelnder Trägheit nach meinem Gesicht zu greifen suchten. Die Arme wurden länger und länger, bis sie am Ende des Höhlengrundes nur noch ein Nest von Ottern waren, die mit ihren Mäulern die aus den Wänden gesprossenen Gliedmaßen abrissen und versuchten, sie mir in dem Mund zu stopfen. In ihrer Mitte glühte in phosphornem Grün ein bockshörniger Schädel mit bizarren Ohren und fixierte mich mit hasserfülltem Blick. Dazu gab dieser furchtbare Ort schmatzende Kaugeräusche von sich, begleitet von einem säuselnden Singsang, als wolle eine Mutter ihrem kleinen Kind einen Brei schmackhaft machen.
    Dieser blasphemische Höllenschlund wollte seinen Gast mit Menschenfleisch füttern!
    Als mich diese Erkenntnis durchfuhr, war ich gleichermaßen in Schweiß gebadet wie innerlich erfroren. Ich wollte um Hilfe rufen und hatte gleichzeitig panische Angst davor, dass mir, sobald ich meine Zähne auseinander gebracht hätte, der Rachen mit Leichenteilen verstopft würde.
    Als sich gleichwohl der erlösende Schrei meiner Kehle entrang, war es für einen Moment, als würde die Zeit angehalten. Jedes Schlängeln, Schwingen, Gleiten verharrte in seiner Position, und nur der von mir ausgehende Ton wurde lauter und lauter, schwoll zu einem Dröhnen an, das die Wände der Höhle zu sprengen drohte, und entlud sich in einem Getöse, das die Gliedmaßen aus der alles umspannenden Haut fetzte und auf den Bocksschädel niederprasseln ließ. Dann endlich verflüchtigte sich das quälende Trugbild wie von einem unirdischen Leviatan aufgesogen.
    Nachdem ich mir die Tränen abgewischt und einen Mund voll Schleim ausgespuckt hatte, merkte ich, dass ich immer noch unverändert auf meinem Platz am Tisch der Hexe saß, die nun wieder genau so alt und hässlich aussah wie bei meiner Ankunft. Ihr fröhlicher Spott war allerdings einer ehrlichen Besorgnis gewichen, die sie nicht verbergen konnte.
    »Ihr seid ein besonderer Mensch, Herr Frederik von dem Kerkhof, ein besonderer Mensch. Doch ich weiß nicht, ob das auch zu Eurem Besten ist.« Dabei wackelte sie nachdenklich mit dem Kopf. »Nein, unterbrecht mich nicht. Ich weiß, was ich sage. Schon viele vor Euch haben diese Reise gemacht, von der Ihr gerade zurückgekehrt seid. Aber bei fast allen war es anders. Die haben nur eine verkehrte Welt gesehen, Ihr aber habt einen Blick in die Zukunft getan auf Dinge, die Ihr nie hättet schauen dürfen.«
    Sie merkte sehr wohl, dass mir tausend Fragen auf den Lippen brannten, denn sie fuhr kopfwackelnd fort: »Nein, nein, mehr kann ich nicht sagen. Ich kann es selber nicht erklären, aber ich weiß, dass es so ist. Denn man wird nicht nur Euer Leben von Euch fordern, sondern auch Eure Seele. – Und jetzt geht, geht!«
    Immer noch halb benommen, erhob ich mich und legte ihr einen Taler auf den Tisch. »Nur eines noch zum Abschied. Du hast gesagt, bei
fast
allen war es anders. Wer außer mir war noch die Ausnahme?«
    Sie wand sich erst ein wenig, doch mochte der Taler den Ausschlag gegeben haben. »Nur einer sonst, ein Einziger. Es war ein Mönch mit Namen Bertram.«
    Die frische Luft draußen tat mir gut. Und ich glaube, meine die Segnungen der Natur schätzenden Freunde, ich habe sie nie wieder in meinem Leben so genossen wie damals. Sie tat mir so gut, dass ich bereits nach der Hälfte des Weges in brillanter Klarheit meiner Gedanken gewillt war, den ganzen Zauber von vorhin als grotesken Humbug abzutun, der nur auf ein starkes Halluzinogen zurückzuführen war.
    Ich hatte auch erkannt, was dieser Trank eigentlich bewirkte. Er verkehrte alles ins Gegenteil. Aus Trockenheit wurde Regen, aus Dunkelheit Licht. Alte Hexen wurden junge Weiber, doch vor allem: Anmutige Frauen wurden runzlige Vetteln.
    Jetzt dämmerte mir, warum sich eine schöne Frau von Zeit zu Zeit ein solches Gebräu für einen Verehrer beschaffte. Dafür konnte es,

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