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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Eingangstür wirkte die Behausung durchaus gemütlich. Aber abblätternde Farbe und schadhafte Fensterläden legten ein beredtes Zeugnis davon ab, dass dieses Haus schon einmal bessere Tage gesehen hatte.
    Nicht anders verhielt es sich mit seiner Herrin. Ein rundliches, mütterliches Wesen mit freundlichem Gesicht, in das sich die Falten der kargen Jahre gegraben hatten. Sie trug einen sauberen Kittel und eine ebensolche Schürze, die auch aus der Distanz einen zerschlissenen Eindruck machten. Das Wenige, das sie hatte, teilte sie aber mit solcher Freude mit den Kleinen, dass ich Rodgers Zuneigung zu ihr ohne weiteres nachvollziehen konnte.
    Ich machte mich davon, bevor sie merken würde, dass sie beobachtet worden war.

Tod eines Handelsreisenden
    Zwei Tage waren seither vergangen, in denen ich mir Bertrams Hinterlassenschaft Stück für Stück vorgenommen und seine Aufzeichnungen studiert hatte, ohne einen einzigen Schritt vorangekommen zu sein. Ossenstert, der in der Burg weiterhin Augen und Ohren offen hielt, war mir diesmal, und das zu seinem größten Bedauern, auch keine Hilfe, denn er brachte nichts weiter heraus, was uns nicht schon längst bekannt war. Es war ihm, dem wissenschaftlich vorgehenden Medicus, merklich peinlich, dem öfters nachfragenden Grafen und seinem Verwalter nicht einmal beweiskräftig darlegen zu können, dass Bertram nicht doch von einer unirdischen Macht getötet worden war. Zwar spielte das Torquisium in unseren Überlegungen nach wie vor eine Rolle, doch blieb sie nichts als reine Spekulation.
    Glaubt mir, meine empfindsamen Freunde, es war für mich beschämend, mir ein solches Versagen eingestehen zu müssen. Frederik von dem Kerkhof, Spezialist in verworrenen Intrigen und heiklen Mordsachen sowie mit dem besten Willen angetreten, sich dem Grafen gegenüber für frühere Wohltaten erkenntlich zu zeigen, drehte sich ohnmächtig im Kreis wie eine hirnlose Fliege, die mit einem Bein im Honigtropfen festklebte. Da war es mir kein Trost, dass es einem analytischen Geist wie Ossenstert nicht besser ging.
    Um meine Zeit nichts vollends zu vertun, hatte ich mich vor dem Zubettgehen erneut lustlos über Bertrams Papiere gebeugt, besonders die merkwürdigen Zeichnungen, die er gesammelt hatte. Was hatte Rodger noch in ihnen zu erkennen geglaubt, einen Bocksschädel? Ich legte die Zettel dicht aneinander und rückte die Kerze näher. Vielleicht lag es an dem ausreichenden Quantum Wein, das ich genossen hatte, um meine Phantasie empfänglich für solcherart Theorie zu machen. Jedenfalls schienen mir die Linien bei meinem zugestandenermaßen nicht mehr ungetrübten Blick mit einmal einen Verlauf zu nehmen, der diese Auffassung stützte. Mit unendlicher Langsamkeit wollten sie sich verschlingen, überlappen und ineinander übergehen, bis sich endlich auch vor meinem geistigen Auge das Bild eines gehörnten Schädels formte, der von oben mit einem Kruzifix oder einem Dolch mit Parierstange durchstoßen schien.
    Doch diese Erscheinung hielt nicht lange vor. Bald darauf wollte sich dieses Gewirr von Tintenschlangen nämlich wie der auf mich zufahrende Bug eines unter vollen Segeln gehenden Schiffes ausnehmen, und kurz danach war es bloß noch ein kopfstehender Pilz.
    Ich hatte jetzt den Zustand erreicht, in dem ich nicht mehr zu unterscheiden vermochte, ob ich von Rausch oder Erkenntnis durchdrungen war. Ich platzierte das bei dem Toten gefundene Pergament neben den Zeichnungen, mehr aus einer Laune denn aufgrund eines zielgerichteten Gedankens, und auch dies brachte mir nichts ein. So traf ich, wie so oft, eine kluge Entscheidung, die auch diesmal so aussah, dass ich mich niederlegte.
    Mein Schlaf war unruhig und kurz. Heimgesucht von einem wirren Traum, in dem mich die alte Stiena zu einem Ritt auf dem Hexenbesen einlud, menschliche Arme und Beine körperlos nach mir griffen und traten, und Gertrudis mit ihren Gefährtinnen auf einer Wiese aus rotem Gras einen schwarzen Wolf umtanzte, der sich abwechselnd in Rodger und Gernot verwandelte, klebte mir das Nachthemd schweißnass am Körper, als mich meine weinpralle Blase von der Lagerstatt trieb. Ich schaffte es gerade noch bis zur Hintertür und pinkelte der Einfachheit halber die Treppe hinunter.
    Der nächste Tag verlief in ähnlich deprimierender Ereignislosigkeit.
    Also wartete ich, wenngleich ohne sonderliche Spannung, auf die Rückkehr Bühlers, um der Vollständigkeit halber den letzten Punkt des ominösen Pergaments abhaken zu können.

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