Des Satans Schatten
dass Bescheidenheit eine genauso weite Entfernung von der Wahrheit ist wie Übertreibung. Und dabei bin ich mir wiederum sicher, dass diese gelungene Formulierung noch Jahrhunderte nach meinem Tod unvergessen und vielleicht aus dem Munde eines anderen großen Detektivs zu hören sein wird.
Wie auch immer, ich würde meine Tafelrunde nicht enttäuschen.
»Warum Ihr den Handelsreisenden Bühler ermordet habt, Herr Tenhove, ist mir unbekannt. Aber wie Ihr es gemacht habt, das will ich allen Anwesenden gerne erläutern. – Doch vorab mag mein Freund und unverzichtbarer Helfer Johannes Ossenstert, ohne dessen Unterstützung ich diesen Fall nie hätte lösen können, erneut das Wort ergreifen, welche Entdeckungen er an der Leiche gemacht hat.«
Diesen Auftritt mitsamt der einführenden Lobeshymne war ich ihm einfach schuldig, meinem besten und zuverlässigsten Freund. Umso mehr, als sich damit eine hervorragende Gelegenheit bot, ihn von seiner Betrübnis über die für alle Zeit fehlenden Chancen bei seiner Gertrudis abzulenken. Sein dankbarer Blick und der Eifer, mit dem er sich wieder an die Sache machte, ließen mich mir insgeheim zu meiner Idee gratulieren.
Weil ich diese Situation vorausgesehen, ja sogar geplant hatte, war Ossenstert von mir dahingehend instruiert worden, dass er nur die reinen Fakten schildern und keine Mutmaßungen darüber zum Besten geben sollte, wie viele Mörder seiner Ansicht nach an der Tat beteiligt waren. Entsprechend berichtete er auch nur von den unterschiedlich breiten Stichen und dem Gift in der Wunde, wenngleich wiederum in einer epischen Breite, die nicht unbedingt vonnöten war.
»Wie und unter welchen Umständen der Tote vorgefunden worden ist, weiß mittlerweile jedermann hier in der Burg. Und wie es um die Leiche bestellt war, habt ihr soeben vernommen. Mehrere Stiche in den Rücken, zwei verschiedene Klingen, weder Mann noch Maus konnten hinein oder nach der Tat daraus flüchten. – Hat sich damit die allgemeine Vermutung bestätigt, dass Dämonen am Werk waren, weil kein anderes Wesen solches in einem abgeriegelten Raum hätte vollbringen können?«
Die Mienen von Ossenstert, dem Grafen und Tenhove blieben unbeweglich. Um Degustis Mund kräuselte sich ein kaum wahrnehmbares Lächeln, während seine einzigartigen, jetzt meergrün schillernden Augen undurchdringlich leuchteten. Allen anderen sah man an, dass sie kurz vor einem beifälligen Nicken standen.
Ich donnerte sie an: »Nein – denn eine solche Annahme ist Humbug!« Um mit leiserer Stimme fortzufahren: »Indessen muss ich einräumen, dass es eines wahrhaft scharfen Verstandes bedarf, um auch dieses Rätsel zu lösen.« Ich denke, ihr seid es zufrieden, meine gönnerhaften Freunde, wenn ich das Thema Eitelkeit an dieser Stelle nicht schon wieder streife.
»Doch auch durch mein Netz wäre der Täter wohl entschlüpft, hätte er es nicht besonders gut machen wollen. Er vertraute nämlich darauf, dass man Bertrams Tod nicht aufklären, sondern auf das Wirken von unirdischen Mächten zurückführen würde. So sollte auch seine Tat beurteilt werden und damit trefflich von ihm ablenken. Hätte er sich mit dem bloßen Tod Bühlers beschieden, es wäre für mich sehr viel schwieriger geworden.«
Das war es auch so schon, nur, wen ging es etwas an, außer euch natürlich, meine verschwiegenen Zuhörer.
»Der Täter ging folgendermaßen vor: Er platzierte eine schmale, vergiftete Klinge im Bett des Opfers, und zwar aufrecht in der Unterlage, abgestützt durch das unterliegende Brett. Dabei hat er eine Stelle gewählt, an der mit größter Wahrscheinlichkeit das Opfer seinen Oberkörper niederlegen würde.
Er hatte sich nicht getäuscht, und die Klinge erwischte Bühler auf der rechten Rückenseite, als er sich auf seine Lagerstatt fallen ließ. Der Schrei, den Bühler ausstieß, wurde zwar von allen gehört, jedoch von niemandem richtig zugeordnet. Er schaffte es noch bis zu der Stelle, an der er tot zusammenbrach und an der er des Morgens gefunden wurde. Damit hätte es sein Bewenden haben sollen, Herr Tenhove. Aber Ihr musstet ja unbedingt die angebliche Allgegenwärtigkeit der Dämonen ausnutzen.«
Eine gute Gelegenheit, mich wieder an meinem Wein zu laben und den anderen Zeit zum Tuscheln, Wiegen der Köpfe und ungläubigem Starren zu geben. Als ich lautstark meinen Becher absetzte, war die Ruhe aber sogleich wieder hergestellt.
»Deshalb wartetet Ihr bereits mit Spannung auf die Nachricht vom fehlgeschlagenen
Weitere Kostenlose Bücher