Des Satans Schatten
war. Er lud mich auf ein Glas Wein ein und enthüllte mir seine wahren Absichten. Oh, er habe zunächst nur nach mir geforscht, so gestand er mir mit fröhlichem Gesicht, den Arm um meine Schultern gelegt, um mich als letzten Zeugen seiner dunklen Vergangenheit für immer zum Schweigen zu bringen. Aber nun sei er ja Geschäftsmann und ihm deshalb eine lukrative Lösung die liebere. Denn immerhin hätte ich bei meiner Position ja einiges zu verlieren, und außerdem wüsste er meine Schwestern bei den Kürschnerleuten schon zu packen – ein kleiner Unfall ist schnell arrangiert. Nein, er sei nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, eine solche Goldgrube wie mich dürfe man nicht einfach zuschütten. Mit mir als Verwalter auf Haus Crange mit seinem berühmten Pferdemarkt und seinem blühenden Dorf, was für Möglichkeiten eröffneten sich da alleine durch das Ausforschen des Grafen und seiner Gäste! Da wäre es glatter Wahnsinn, mich umzubringen. Im Gegenteil, er würde ein waches Auge auf mich und meine Gesundheit haben. Beim Grafen hätte er sich schon bestens mit einem Geschenk von kostbaren Glasgefäßen eingeführt; wäre erst einmal genügend Vertrauen geschaffen, ließe sich bestimmt dereinst eine radikale Lösung zum Wohle der alten Kampfgefährten finden. – Sein feistes Grinsen dabei hätte es nicht gebraucht. Ich wusste auch so, was er meinte.«
Das wussten wir wohl alle, wie die nachdenkliche Miene des Grafen bestätigte.
»Hätte ich mich offenbaren sollen mit meiner Geschichte vom Bauernjungen, der ausgezogen war, ein Räuber zu werden? Ohne den geringsten Beweis in meinen Händen, und auf der anderen Seite der reiche Schweizer Handelsmann? – Also habe ich ihn umgebracht – zum Wohle aller. Das Mittel dazu hatte ich noch aus jener alten Zeit. Ein greiser Kamerad, der im Sterben lag, hat mir die Klinge geschenkt. Er hat sie sein Leben lang mit sich geführt, um Folter und grausamster Hinrichtung zu entgehen. Bei einer Gefangennahme hätte er zunächst sich und dann, als letzte Rache, seinen Gegner damit gestochen. Es ist ein hochwirksames Gift, ich habe es wie einen Talisman bei mir getragen. Wie man sieht, hat er sich bewährt.«
Der Graf, den dieser eklatante Fall von Vertrauensbruch eigentlich am meisten verletzt haben müsste, schien mir am ehesten geneigt, Verständnis für seinen Verwalter aufzubringen. »Ihr hättet trotzdem zu mir kommen und mir reinen Wein einschenken sollen, Albrecht.«
»Das hätte ich nur zu gern, mein hoher Herr. Doch ein Schuldgefühl kann sich bisweilen so schwer auf die Zunge legen, dass sie in entscheidenden Momenten ihren Dienst versagt. Überdies habe ich mich der Hoffnung hingegeben, man würde sich den gewaltsamen Tod in der verschlossenen Kammer nicht erklären können und wie bei Bertram auch dafür den Teufel verantwortlich machen. – Aber mit Bertrams Tod habe ich nichts zu schaffen. Ich hatte nicht den geringsten Grund, ihm etwas Böses zu wünschen. Hier, fragt dieses zitternde Männchen, dass Bertram bei unserer letzten Begegnung frisch und lebendig war. Er saß nämlich mit dem Mönch in dessen Zimmer und plauderte, als ich an der geöffneten Tür vorbeikam auf meiner abendlichen Runde. Als sich ein wenig später mein Magen meldete, kam ich auf meinem Weg zum Abtritt erneut an der Tür vorbei. Sie redeten immer noch, soweit ich mich erinnere, und zwar über den Bergbau und die Schätze der Natur, die tief im Inneren der Erde schlummern. Wir haben uns noch allseits eine gute Nacht gewünscht. War es nicht so, Rodger?«
»Gewiss, gewiss, Herr, so war es. Ihr müsst dabei auch bemerkt haben, dass ich gleich hinter Euch hergegangen bin. Und Bertram hat hinter mir abgeschlossen, das ist die reine Wahrheit, das wisst Ihr doch, oder?«
Tenhove nickte nach einem Augenblick des Nachdenkens bedächtig. »Es stimmt, ich habe selbst das Geräusch des Schlüssels gehört.«
An dieser Stelle schaltete sich wieder der Graf persönlich ein. »Ja, es gibt nun Schlösser an den Türen, wie Ihr wohl schon selber bemerkt habt, Herr Frederik. Nach dem Tode Conrads habe ich mich damals dafür entschieden.«
»Ein kluger Entschluss, wenn Ihr mir diese Bemerkung gestatten wollt. – Noch mal zu dir, Rodger. Erinnerst du dich, worum genau es in eurer Unterhaltung ging? Kam, wenn auch nur kurz, noch eine weitere Person hinzu? Hat Bertram nicht doch etwas erwähnt, wenngleich nur beiläufig, dass auf einen Verdacht gegenüber einer Person hindeuten
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