Des Satans Schatten
des Mörders fortfahren.
»Tja, Frau Gertrudis, das sind schöne Aussichten für die Zukunft. Jedoch bin ich der Überzeugung, dass die Zusage des Herrn von Crange wohl nur für den Fall gilt, dass Ihr Bertram wirklich nicht ermordet habt. Und insofern hilft Euch Eure Gedankenführung herzlich wenig. Gegenseitig in der Hand hattet ihr Euch, das mag wohl sein. Aber wie schnell hat man sich in einem schwachen Moment verplappert, ohne die Folgen zu bedenken? Wie lange sollte dieser Tanz auf dünnem Eis noch weitergehen? Nein, nein, Eure Logik überzeugt mich nicht. Vielmehr gilt auch hier, dass am sichersten immer noch die Toten schweigen. Doch ich will Euch nicht länger einem Verdacht aussetzen, denn ich glaube Euch aus einem anderen Grund. – Ihr erinnert Euch noch an Euer Treffen mit dem zudringlichen Verehrer, Karl Brockstett mit Namen, bei dem Euer Wundermittel so kläglich versagt hat? Habt Ihr eine Erklärung dafür, warum Euer Plan nicht funktionierte?«
Gertrudis, die offensichtlich nicht wusste, worauf ich hinauswollte, schüttelte den Kopf. »Nein, ich verstehe es selber nicht. Ich habe alles so gemacht wie immer, aber auf diesen Karl blieb der Trank ohne Wirkung.«
»Und Ihr seid vollkommen sicher, dass alle Ingredienzien darin waren und auch im richtigen Verhältnis gemischt?«
»Vollkommen sicher.«
»Und deshalb bin
ich
mir sicher, dass Ihr mit Bertrams Tod nichts zu schaffen habt. Ich gehe nämlich davon aus, dass man Euch den wichtigsten Bestandteil, das Pulver aus der Radix Pedis Diaboli, entwendet hat. Das Pulver wurde aber nicht einfach nur gestohlen, sondern es wurde, weil niemand das merken sollte, durch ein anderes, harmloses ersetzt. Und wer sollte daran ein Interesse haben, wenn nicht der wahre Mörder?«
Zweierlei Mörder!
So haben wir uns also mit Rodger, Gernot, Stiena und Gertrudis befasst. Ihr seht alle selbst, dass nun nicht mehr viele unter uns sind, die für die abscheulichen Taten in Frage kommen. – Aber bevor ich meinen Gedankenfaden weiterspinne, will ich den Mörder auf eine letzte Chance hinweisen. Noch besteht die Gelegenheit, den Herrn von Crange durch ein freimütiges Geständnis milde zu stimmen und durch die Erläuterung der Umstände, die ihn zu seiner Tat getrieben haben, vielleicht sogar Verständnis zu wecken. Dazu habt ihr soeben das beste Beispiel erlebt. – Wohlan, ist einer unter euch, der jetzt und hier offen seine Schuld bekennen will?«
Mein in die Runde schweifender Blick auf die in betretenem Schweigen vor sich Hinschauenden verriet mir schnell, dass ich mit diesem Angebot niemanden verlocken würde.
»Niemand? Das verwundert mich aber sehr, Herr Albrecht Tenhove, wo Ihr doch eben einen so beeindruckenden Anfang gemacht habt, indem Ihr meinen Köder verschmähtet und darauf verzichtetet, unserem Rodger, diesem wunderbaren Sündenbock, Euren Mord in die Schuhe zu schieben.«
Es war körperlich zu fühlen, wie alle Anwesenden den Atem anhielten. Es waren die Wachen, in die als Erste wieder Leben geriet und die sich auch ohne meinen Wink auf den Verwalter konzentrierten.
Tenhove hatte sich aus seinem Sessel erhoben, machte aber keine Anstalten zur Flucht, sondern sah zuerst mich, dann den Grafen mit festem Blick an und sprach, indem er die Hand wie zum Eid hob, nach einigen langen Sekunden des Schweigens: »Ich habe mit Bertrams Tod nicht das Geringste zu tun.«
»Natürlich. Natürlich, das glaube ich Euch ohne weiteres. Doch wer redet von Bertram? Ich spreche von der Ermordung des Herrn Bartholomäus Bühler.«
Tenhove ließ seine Hand wieder sinken, aber sein ruhiger Tonfall veränderte sich nicht. »Dann bin ich wohl nach Eurer Meinung nicht nur ein Mörder, sondern auch ein Geist, der durch die Wände gehen kann?«
»Das ist überhaupt nicht nötig. Ihr habt Eurem Opfer die perfekte Falle gestellt. Die fast perfekte Falle, besser gesagt, denn ich weiß, wie Ihr es gemacht habt. Also setzt Euch wieder und hört mir zu. Dieselbe Überlegung, die mich bei Bertrams Tod dazu geführt hat, die erste Person bei der Leiche für den Täter zu halten, greift nämlich auch diesmal.«
Ihr habt es längst erkannt, meine hellsichtigen Freunde, da war sie wieder, die Bühne für die Darstellung meiner Deduktionen, die Euer Frederik so liebt. Keiner rührte sich auf seinem Platz, keiner wagte einen Einwand. Alle hingen sie gebannt an meinen Lippen und warteten auf meine geistigen Großtaten. – Ist Eitelkeit wirklich ein charakterlicher Mangel? Ich meine,
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