Des Satans Schatten
Versuch, Bühler zu wecken, und ließet die Tür aufbrechen, um als Erster bei der Leiche zu sein. Das Schicksal spielte Euch wieder in die Hände, indem die Lage des Toten jedem auf den ersten Blick zeigte, dass er einer Stichverletzung erlegen war. – Im Übrigen bin ich mir sicher, dass Ihr Mittel und Wege gefunden hättet, auf diese Wunde hinzuweisen, ohne in Verdacht zu geraten. Doch dies war, wie gesagt, gar nicht nötig. – Als Ihr überzeugt sein konntet, dass alle Herbeigelaufenen das schreckliche Bild in sich aufgenommen hatten, verscheuchtet Ihr die Zuschauer, stelltet sicher, dass Euch niemand überraschen würde, und machtet Euch an die Beseitigung der Spuren. Das heißt, als Erstes nahmt Ihr die Klinge aus dem Bett wieder an Euch. Nur Glück, dass Euch nicht der Gedanke gekommen ist, das Laken auch noch an anderen Stellen zu beschädigen. So blieb die Stelle, an der die Klinge hindurch gedrungen war, der einzige Schlitz, und lieferte mir so einen ersten Anhaltspunkt.«
Wie die Sache verlaufen wäre, wenn ich mich seinerzeit nur ein wenig anders hingelegt oder das Bett ganz ignoriert hätte, will ich an dieser Stelle lieber gar nicht weiter ausführen.
»Als Zweites nahmt Ihr Euer Messer, das eine etwas breitere Klinge besitzt, und stacht einmal ins Herz und ein zweites Mal in die alte Wunde. Das tatet Ihr, um von der Tatsache abzulenken, dass hier ein Giftmord vorlag. Bei Gift hätte man nämlich sogleich nach einer entsprechenden Falle gesucht und vermutlich direkt beim Bett begonnen. Bühler wäre zwar tot, aber die Jagd nach einem höchst irdischen Täter hätte begonnen. Und die Kernfrage hätte zweifellos gelautet: Wer hatte einen Grund, Bühler umzubringen? Ich kenne Euren Grund nicht, aber es gibt ihn so sicher wie das Amen in der Kirche, denn ansonsten könnte Bühler ihn uns jetzt und hier selber benennen. Und Ihr tatet es, weil Ihr ein Szenario schaffen wolltet, das obendrein einen Menschen als Mörder ausschließt. Denn welches sterbliche Wesen hätte es vermocht, in dieses so gesicherte Zimmer hinein- und wieder hinauszugelangen? Wohl durchdacht, Herr Tenhove! Wäre es Euch auch noch gelungen, das Laken auszutauschen, niemand wäre auf Eure Spur gekommen. Aber das wäre dann doch ein wenig zu schwierig und auffällig gewesen. – Und deshalb steht ohne jeden Zweifel fest, dass Ihr Herrn Bartholomäus Bühler ermordet habt.«
Der Nächste, der das Wort ergriff, war der von mir Beschuldigte selbst, der nun keine Ausflüchte mehr im Leugnen suchte.
»Es ist gerade so gewesen, wie von Euch dargestellt, Herr Frederik. Nur in einem Punkt irrt Ihr Euch. Bartholomäus Bühler war kein Herr, nicht einmal ein Mensch. Er war eine unheilige Mischung aus Ratte und Schwein und hat den Tod vielfach verdient. Hätte ich ihn schon eher getötet, vielen Menschen wäre großes Leid erspart geblieben.«
Als wäre Tenhove, der während meiner letzten Sätze wieder aufgestanden war, eine riesige Last von der Seele gefallen, setzte er sich mit einem fast heiter zu nennenden Ausdruck in seinem Gesicht. Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Becher und fuhr dann aus eigenem Antrieb fort.
»Ich will hier reinen Tisch machen. Insbesondere aber will ich den Herrn Grafen um Gnade und Verzeihung bitten für meine Tat, die ich hier unter Missachtung seiner Gunst begangen habe. Er hat mich ohne große Fragen in seine Dienste gestellt, mich großzügig behandelt und mir vertraut. Ich schäme mich dafür, dieses Vertrauen missbraucht zu haben, indem ich den Tod in sein Haus geholt habe. Dennoch hoffe ich, man möge mein Handeln verstehen, wenn ich hier zu Ende bin. Ich habe niemanden über meinen Namen getäuscht. Ich heiße Albrecht Tenhove und, um es kurz zu machen, ich war in meiner Jugend Mitglied einer Räuberbande. Im Fränkischen, wo ich herstamme, herrschte in unserer Gegend so große Not, dass die Bauern kein anderes Mittel zum Überleben sahen, als sich gegen die Herrschenden zu erheben, wie es schon einmal Jahre zuvor gewesen ist. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Die Aufstände wurden wieder blutig niedergeworfen, mein Vater und Großvater, die auch dazugehörten, erschlagen. Zurück blieben eine kranke Mutter, die kurz darauf ebenfalls starb, und wir vier Geschwister, das heißt außer mir drei Mädchen, von denen meine älteste Schwester selber schon ein Kind hatte. Wir besaßen kein Land mehr, kein Haus und kein Vieh. Lebten wir vorher allesamt in Armut, hatten wir nun buchstäblich nur die
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