Des Satans Schatten
große Eigentümlichkeiten sein, unverkennbar waren jedenfalls die angewachsenen Ohrläppchen, wie sie auch ein Charakteristikum unseres Rodger sind.
Viel Überzeugungskraft schien dieses Papier allerdings nicht zu besitzen, zu deutlich war das eine oder andere Kopfschütteln um mich herum. Stapelmann war dies selbstverständlich nicht verborgen geblieben. Entsprechend war sein Lächeln nun nicht mehr gekünstelt.
»Oh je, Herr Inquisitor, wenn der gnädige Herr Graf mir nur einen Wagen borgen und mich damit über Land fahren lassen will, so will ich Euch schon morgen ein Dutzend Männer präsentieren, die diesem Bild ähnlicher sind als ich.«
Jetzt sah ich das eine oder andere Nicken, und Gernot und Gertrudis flüsterten in einer Weise miteinander, die erkennen ließ, dass sie Stapelmanns Meinung waren. Sehr zu meinem Leidwesen, weil der Schuft dadurch immer mehr Oberwasser bekam.
Er brillierte erneut mit seinem schauspielerischen Talent, indem er sich wieder bewährt weinerlich gab und sich an unseren Gastgeber wandte. »Herr Graf, ich bitte Euch untertänigst, lasst nicht länger zu, dass solches Spiel mit mir getrieben wird. Erst bin ich ein Mörder, dann wieder nicht, dann wieder ein Mörder und Helfer einer Menschenfresserbande obendrein. Ein solches Wechselbad mag hinreichen, das Gemüt eines stärkeren Menschen zu zerstören, als ich es bin. Mit Wolfsmenschen soll ich im Bunde sein! Habt Erbarmen und gebietet dem Herrn Frederik Einhalt – oder fordert ihn auf, auch nur einen einzigen echten Beweis beizubringen, nur einen einzigen Zeugen.«
Sehr schön, genau dahin wollte ich diesen Hundesohn haben.
Ein Lächeln kräuselte meine Lippen, von dem ich hoffte, dass man ihm den Hohn auch ansah. »Du willst ihn wirklich sehen, den Zeugen, der genau das bekunden kann? Nun, ob seine Rede so bestimmt sein wird, wage ich zu bezweifeln, denn er verhält sich in jüngster Zeit ein wenig kopflos. Doch sein Zeugnis wird unwiderleglich sein und dich zweifelsfrei überführen.«
Mit diesen Worten griff ich in den ledernen Sack und zog an den Haaren den Schädel des Anführers hervor, den ich über den Tisch in Stapelmanns Richtung schleuderte.
Der Kopf sprang wie ein riesiger Würfel über die Platte und blieb, nur eine Armeslänge von ihm entfernt, auf dem Stumpf seines Halses vor Stapelmann liegen. August und Max Derflinger – der eine aus gebrochenen, der andere aus vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrten sich die Zwillingsbrüder an, einander so ähnlich wie ein Ei dem anderen.
Nur eine kleine Bitte
Der Mann, den alle als Rodger Stapelmann kannten und den ich der Einfachheit halber auch weiter so nennen will, war ins Verlies geschafft worden. Der Kopf seines Bruders steckte wieder im ledernen Sack, und an seiner Stelle stand auf dem gesäuberten Tisch ein Krug mit starkem Branntwein, dem reichlich zugesprochen worden und dem es so gelungen war, wieder Farbe in die Gesichter einiger Anwesender zu bringen.
Bis auf Tenhove saßen noch alle um den Tisch herum. Der war auf seine Kammer gegangen und bereitete seine Abreise vor. Zwar mochte er mit seiner Tat sogar indirekt das Leben des Grafen gerettet haben, doch konnte dieser ihn nicht bei sich behalten. Zu schwer wog ein Mord unter dem Dach von Haus Crange. Der Graf hatte Tenhove jedoch wissen lassen, dass er eingedenk seiner korrekten und umsichtigen Arbeit als Verwalter mit einem Empfehlungsschreiben rechnen könne, mit dem sich für ihn ein Platz bei einem befreundeten Pferdezüchter im Bergischen finden würde.
Nur zu verständlich, dass der Graf, dessen Land von einer verheerenden Plage befreit worden war, die man sich schrecklicher kaum ausmalen konnte, nun in aufgeräumtester Stimmung auffahren ließ, was Küche und Keller zu bieten hatten.
»Ich sehe mit Zufriedenheit, dass das Lebenswasser hier das seelische Gleichgewicht bei meinen Gästen wieder hergestellt hat. Also esst und trinkt, was das Herz begehrt. In drei Tagen werde ich zu Ehren der Herren Frederik von dem Kerkhof und Salvatore Degusti ein großes Fest geben, zu dem ihr alle eingeladen seid. Und wenn es euch gefällt, bleibt bis zum großen Pferdemarkt in ein paar Wochen.«
Das hörte jeder gern, zumal nun Stiena, von der Gertrudis seit langem ihre Heilmittel bezogen hatte, offiziell das Privileg genoss, zu den gern gesehenen Besuchern der Burg gezählt zu werden. So war sie an diesem Abend eine der Lustigsten und versetzte mich in nicht geringes Erstaunen mit ihrer Fähigkeit, eine
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