Des Satans Schatten
Eitelkeit und ihrer Berechtigung habe ich mich ja schon geäußert.
Rodger, der bei seiner ersten Verdächtigung noch zu Tode erschrocken war, trug nun ein ungläubiges Gesicht zur Schau, das schnell zu gespieltem Frohsinn überwechselte. »Wenn es Euch denn so gefällt, mich zum Gegenstand Eurer Späße zu machen, muss ich wohl wieder herhalten. Ich hoffe, Ihr vergeltet es mir anschließend mit einem Glas Wein.«
Ich musste ebenfalls schmunzeln. »Diese Haltung steht dir viel besser an als deine Rolle als zappeliger, harmloser Hofnarr. – Ich habe dir bereits eben vor Augen geführt, warum nur du als Mörder von Bertram in Frage kommst. Ich musste nur mit einem kleinen Kunstgriff von dir ablenken, um einen anderen Mörder zu überführen. Jetzt werde ich dir auch dein fehlendes Motiv liefern.«
Mein Tonfall musste allen Anwesenden verdeutlicht haben, dass die erhobene Beschuldigung dieses Mal kein bloßer Schachzug war. Es war auffällig, wie Gernot und Gertrudis von Stapelmann abrückten.
»Dazu dürfte es ausgesprochen hilfreich sein, dass Herr Degusti, hochgeschätzter Gast des Herrn Grafen und nicht minder geschätzter Kampfgefährte von mir, uns allen darlegt, wie die Bande der Wolfsmenschen, die für das Verschwinden der Reisenden verantwortlich ist, erledigt wurde, und auf welche Besonderheiten wir dabei gestoßen sind, die in Zusammenhang mit Bertrams Ermordung stehen.«
Damit überließ ich das Feld Degusti, nachdem ich den Ledersack vor mich unter den Tisch gestellt und in meinem Sessel neben dem Herrn von Crange Platz genommen hatte. Der Italiener verzichtete darauf, meine Wanderung weiterzuführen, und lehnte sich, immer noch leicht amüsiert, in seinem Sitz lediglich ein wenig weiter nach vorne. Dann berichtete er in einer Präzision, als würde er das Erlebte von einem Blatt ablesen, von der Mörderbande, die so viele Opfer gefordert hatte, von unserem Kampf und unseren Entdeckungen, von Aussehen und Eigenarten der Wolfsmenschen sowie der Konstruktion der Höhle und verheimlichte dabei auch seine Vermutung nicht, dass die Bande zur Blutauffrischung einige Opfer am Leben ließ, was das Auftauchen des Merselen’schen Waffengurtes erklärte.
Als Degusti verstummte, herrschte zunächst Grabesstille im Saal. Dann jedoch tobte ein Sturm von Fragen los, deren Beantwortung ich sämtlich dem Italiener überließ.
Rodger, hin und her gerissen zwischen vorgeblicher Unbeschwertheit und ernsthafter Verteidigungsabsicht, konnte den Schluss kaum abwarten, um endlich loszuwerden: »Und was habe ich mit alledem zu tun? Worin soll da der Anlass für mich stecken, meinen Freund Bertram zu töten?«
»Du musstest ihn töten, um ihn zum Schweigen zu bringen, was wiederum nötig war, um deine Familie zu schützen.«
»Was ... welche ... Hier, Tenhove, der musste seine Schwestern schützen, das hat er selber zugegeben. Ihr habt es doch alle gehört! Und ich, was soll ich für eine Familie haben? Die ist lange tot, ich bin ganz al...«
»Die Familie der Wolfsmenschen ist deine Familie! Bertram musste weg, weil er allmählich auf die richtige Spur kam. Er machte sich schon Gedanken über eine künstlich geschaffene Höhle als Versteck. – Was muss es für dich eine Erleichterung gewesen sein, dass er mit seinen Fragen ausgerechnet zu dir kam, seinem angeblichen Freund, wenngleich ich der Überzeugung bin, dass du nur zu diesem Zweck von Anfang an seine Freundschaft gesucht hast. Und als er dich erneut auf den Bau von Stollen ansprach, hast du ihm das Gift in den Wein getan.«
Rodger blieb der Mund so weit offen stehen, dass ich versucht war, mich zu fragen, wie die menschliche Anatomie so etwas ermöglichen konnte. Es war ein Meisterstück der Schauspielkunst, das jeden Possenreißer auf dem Jahrmarkt neidisch gemacht hätte.
»Ich ... ich auf der Seite dieser nicht menschlichen Wesen? Seid Ihr von Sin...«
»Und mehr noch! Nicht nur unschuldig in diese Rolle hineingeboren, sondern der mitverschworene Helfer, der die Bande mit Hinweisen versorgte, welche lohnende Beute hier in Crange eingetroffen war und welchen Weg sie nach ihrer Abreise nehmen würde. Und das Ohr der Bande, das alles hörte, was hier beratschlagt wurde und unternommen werden sollte, sodass rechtzeitig eine Warnung ergehen konnte. Deine Tarnung war deine Freundin Grete Dreven, deren Herz für Kinder du ausgenutzt hast, um die jüngsten Mitglieder der Familie dort hinkommen und die Nachrichten übermitteln zu lassen.«
Stapelmann hatte sich
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