Des Satans Schatten
mit dieser Eigenschaft sehr schnell ihresgleichen.
Dass ich demgegenüber erst jetzt auf den Einfall kam, Degusti könnte mit seinem eiligen Abgang noch ein anderes Ziel verfolgen, als Stapelmann so rasch wie möglich seinen Richtern auszuliefern, mag daher allenfalls vor dem Hintergrund der durchzechten letzten Nacht und der überwiegend schlaflosen davor erklärt werden können. Zu entschuldigen war mein Verhalten in meinen eigenen kritischen Augen hingegen nicht.
Wie ich nämlich selbst noch tags zuvor klug doziert hatte, fehlte so einer im Verborgenen vegetierenden Menschenfresserbande beinahe jede Möglichkeit, ihre Beute abzusetzen. Geld, Gold, Schmuck und dergleichen sind, so paradox dies auch anmuten mag, für sie von sehr viel geringerem praktischen Wert als geraubte Nahrung und Kleidung. Folglich war es mehr als wahrscheinlich, dass die Bande ein Versteck angelegt hatte, in dem sich, bedenkt man allein die Vielzahl der Jahre ihres schändlichen Treibens, ein wahrer Schatz angesammelt haben musste.
Degusti wäre nicht der Mann, für den ich ihn hielt, wenn er nicht versuchen würde, sich einen fetten Brocken davon unter den Nagel zu reißen.
Und er hatte einen riesigen Vorsprung vor mir.
Als mir das in seiner ganzen Tragweite zu Bewusstsein gekommen war, ließ ich mein Pferd und ein zweites gleich dazu satteln und jagte zurück zur Höhle. Zwar hätte ich Gernot aufgrund seines Geschicks mit Bogen und Armbrust dabei gut gebrauchen können, doch hatte ich nicht vor, noch mehr Zeit damit zu vertun, ihn in seinem Heim loseisen zu müssen, falls er nicht sowieso im Wald unterwegs war. Außerdem würde er, der sich viel öfter zu Fuß als zu Pferde bewegte, mein Tempo nicht mithalten können.
Obwohl ich die Tiere alle Viertelstunde wechselte und so für die nötige Erholung sorgte, hätte es mich gewundert, wenn ich noch rechtzeitig gekommen wäre. Und euer vorausschauender Frederik sollte – höchst bedauerlicherweise – wieder einmal Recht behalten haben.
Es war nicht nötig, in gebührendem Abstand vor der Höhle anzuhalten und sich vorsichtig anzupirschen. Dafür war die Gestalt, die vor ihrem Eingang lag, schon aus der Distanz zu deutlich zu sehen.
Als ich näher kam, erkannte ich Ignazio, einen der Wächter, die Degusti zurückgelassen hatte. Er starrte mit halb geöffneten, blicklosen Augen gen Himmel, den aufgerissenen Mund mit einer Mischung aus angetrocknetem Speichel und rotem Schaum verklebt. Sein Gewand war über den gesamten Oberkörper blutdurchtränkt, und ein Schwarm buntschillernder, fetter Fliegen erhob sich missmutig von seiner reich gedeckten Tafel, als ich mich anschickte, die Leiche genauer zu untersuchen.
Der arme Kerl war durch einen einzigen Stich mitten ins Herz getötet worden. Er muss augenblicklich gestorben sein, als hätte ein Blitz ihn niedergestreckt.
Seinen Kameraden Giuseppe fand ich, als ich einige Schritte weit in die Höhle eingedrungen war. Er hatte es noch geschafft, sein Schwert zu ziehen, aber es hatte ihm nichts mehr genutzt. Die Klinge wies nicht den kleinsten Blutspritzer auf, der Mann zu meinen Füßen war ohne Gegenwehr gestorben.
Er lag auf dem Bauch, und wie es den Anschein hatte, war auch bei ihm ein einziger Stich ausreichend gewesen, der ihn von hinten ins Herz getroffen hatte. Der Dolch steckte noch immer in seinem Rücken. Ich drehte ihn vorsichtshalber auf die Seite, doch da war, wie vermutet, keine andere Verletzung.
Als vorsichtiger Mann zog ich eine meiner Pistolen und tastete mich behutsam um die Biegung des Ganges, bis ich zu einer Laterne gelangte, die nach meiner zutreffenden Erinnerung ihren Platz in einer in die Erde gekratzten Vertiefung der rechten Wand hatte. Zunder und Feuerstein lagen daneben, sodass mir nach wenigen Momenten eine Lichtquelle zur Verfügung stand, die ausreichen sollte, diese Unterwelt zu examinieren. Zunächst begab ich mich jedoch wieder zu dem Toten und zog den Dolch heraus. Die ohne jeden Zierat gefertigte Waffe war schlank, nicht allzu lang und mit einer dicken Klingenmitte, die in zwei rasiermesserscharfe Schneiden und eine nadelgleiche Spitze auslief. Stark genug, selbst den Hieb eines Rapiers abzufangen, bestens ausbalanciert, um auch als Wurfmesser eingesetzt zu werden. In der Hand eines Experten ein phantastisches Instrument, um so mühelos durch Sehnen, Knorpel und Muskeln zu gleiten wie ein glühender Schürhaken durch einen Klumpen Butter.
Ich hatte keinen Zweifel daran, wem dieses Werkzeug gehörte,
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