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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erstenmal in ihrem Leben nicht auf die Aufforderung, in einen Trab zu fallen. Mit gesenktem Kopf ging sie weiter im Schritt.
    »Mein Mädchen«, sagte Hartung und beugte sich mühsam zu ihren Ohren vor, eine Anstrengung, die ihm den Schweiß ins Gesicht trieb, »sei nicht trotzig wie alle Frauen. Soll ich mir die Sporen umschnallen?«
    Über den Platz rannten Dr. Rölle und Angela. Dr. Rölle fuchtelte mit den Armen hoch in der Luft.
    »Holt ihn 'runter!« schrie er. »So ein Irrsinn! Ihr steht herum und seht euch das ruhig an? Holt den Idioten vom Pferd!«
    »Jetzt los, mein Mädchen«, sagte Hartung ruhig. »Zeig allen, daß wir fit sind. Und wenn ich stöhne, hör einfach nicht hin.«
    Und dann trabten sie, galoppierten, vollführten scharfe Wendungen, jagten auf das Übungshindernis, einen Doppeloxer, zu und übersprangen es so elegant wie immer. Mit einer Hand, der gesunden rechten, hielt Hartung die Zügel. Der Absprung war schmerzhaft, aber zu ertragen, doch als er wieder aufsetzte, war es wie eine Explosion.
    Im Sattel bleiben, befahl sich Hartung. Nichts anmerken lassen. Lächeln, und weiter, weiter …
    Wie er es schaffte, wußte er selbst nicht. Nach einer halben Stunde hob ihn Romanowski vom Sattel und stützte ihn bis zu einem Hocker neben dem Abreiteplatz. Dort warteten Angela und Dr. Rölle mit verschlossenen Gesichtern.
    »Na, Sie Hirnamputierter?« fragte Dr. Rölle. »Das war schön, was?«
    »Es ist durchzuhalten.« Hartungs Stimme klang wie Zähneknirschen. »Und wenn Sie mir vor dem Parcours eine Injektion geben gegen Schmerzen, schaffe ich es. Doktor, es hängt zuviel daran.«
    »Mein Flugzeug geht morgen früh um 8 Uhr 17.« Angela blickte über Hartung hinweg. Ihr schöner Mund zuckte.
    »Du fliegst nicht.«
    »Doch. Die Tickets sind bestellt.«
    »Ich brauche dich, Angi!«
    »Das ist eine Lüge. Du brauchst nur Siege und deine Laska. Daraus allein besteht deine Welt.«
    »Und aus dir. Du weißt es genau. Heute abend werde ich brav wie ein Kind sein.«
    »Falls es für dich noch einen Abend gibt.«
    »Ihr seht alle zu schwarz. Mit einer Spritze im Leib muß ich diesen Nachmittag durchhalten.«
    »Wie Sie wollen!« Dr. Rölle schlug die Fäuste gegeneinander. »Ich pumpe Sie voll, als seien Sie ein Nilpferd! Vielleicht ist es wirklich am besten, daß Sie sich selbst Ihren Dickkopf spalten! Kommen Sie, Angi, hier haben wir nichts mehr zu suchen.«
    Drei Uhr nachmittags.
    Im Stadion starrten sechzigtausend Menschen auf den grünen Rasen und die dort aufgebauten Hindernisse. Nomo Fukujachi hatte noch einmal versucht, Hartung zu überreden. Es war sinnlos. Dr. Rölle gab Hartung eine Schmerzinjektion, sie wirkte kaum, wie Hartung feststellte, als er in den Sattel kletterte. Zwar ließen die Schmerzen etwas nach, aber die Nerven und der Bruch waren bereits so gereizt, daß eine normale Spritze nicht mehr reichte.
    »In Ordnung?« fragte Dr. Rölle.
    »Ja.« Hartung lächelte schwach. »Wenn man bei einem Viehdoktor in Behandlung ist …«
    Der Parcours war schwer. Die Japaner hatten Schwierigkeiten eingebaut, an denen die meisten Reiter hängenblieben. Selbst die hier so hervorragenden Russen rissen zweimal und gingen mit acht Fehlern vom Platz. Die deutschen Reiter – Hartung ritt als letzter – kamen mit vier Fehlern aus dem Stadion. Um zu gewinnen – es gab hier nur eine Nationenwertung und keinen Einzelsieg –, durfte Hartung nur mit null Fehlern den Parcours verlassen.
    »Unmöglich«, sagte Dr. Rölle. »Dieser Ritt ist völlig umsonst.«
    »Wo ist Angela?« fragte Hartung, als Romanowski ihn in den Sattel hob.
    »Nicht im Stadion. Sie packt ihre Koffer.«
    »Das glaube ich nicht. Such sie.«
    »Herrchen!« Romanowski klammerte sich an Hartungs Stiefel fest. »Bitte reiten Sie nicht!«
    »Nummer 54, Horst Hartung auf Laska«, ertönte es aus den Lautsprechern in vier Sprachen. Die weiße Barriere hob sich. Einreiten! Es gab kein Zurück mehr. Romanowski preßte die Hände vors Gesicht und wandte sich ab.
    Langsam, vorsichtig ritt Hartung auf den Parcours. Laska spürte, wie er mehr im Sattel hing als saß. Sein Schenkeldruck war kraftlos, kaum spürbar, die Zügelführung fast eine Farce.
    Hartung zog die Kappe und grüßte. Sechzigtausend Menschen klatschten begeistert. Sie sahen, daß er den Arm in der Binde trug, daß er einarmig über diese schwierigsten Hindernisse, die man je in Japan aufgebaut hatte, springen wollte. Der ›Preis der aufgehenden Sonne‹ war die höchste

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