Des Sieges bittere Tränen
gesund?«
»Alles!« Dr. Rölle schluckte vor Aufregung. »Und was machen die Reiter?«
»Sie essen geräucherten Stör. Gute Nacht, Doktor.«
»Gute Nacht, Herr Major.«
Dr. Rölle starrte ihm nach. Wie alle anderen verstand auch er überhaupt nichts mehr.
Borolenko tat das Ganze keineswegs aus Geheimniskrämerei. Seine Sorgen waren größer und vor allem für ihn gefährlicher als die der deutschen Equipe. Da war von einem V-Mann über Funk eine Meldung gekommen: »In den Wagen der deutschen Pferde befindet sich Rauschgift. Ende.« Die Wagen trafen in Moskau ein, und was findet man? Kokain.
Kokain für fünfzehntausend Rubel.
Was soll Borolenko tun? Die deutschen Reiter verhören? Die in der ganzen Welt berühmten deutschen Reiterstars? Ein absurder Gedanke. Den Baron Fallersfeld? Noch absurder! Den Tierarzt? Den Futtermeister? Ausgeschlossen. Die Pferdepfleger – die schon eher. Und sie wurden verhört, stundenlang, nach der bewährten Methode, daß der Fragende jede Stunde wechselt. Die eine Seite ermüdet nie, die andere muß einmal zusammenbrechen.
Aber man kannte Romanowski nicht. Er antwortete einmal auf alle Fragen, und als sie immer wiederkehrten, sagte er nur: »Ick bin doch keen kaputtes Grammophon! Ick wiedahole nischt zehnmal. Leckt mich am Arsch!«
Borolenko brach die Verhöre ab.
Er befahl, die Transporter zum Stadion zu bringen und so abzustellen, daß sie mühelos und unbemerkt zu erreichen waren.
»Wer eine Ware bringt, muß sie auch loswerden«, sagte Borolenko zu Leutnant Stupkin. »Durch die Nachrichtensperre weiß niemand, was geschehen ist. Für den, der die Ware abholen will, ist also nichts passiert. Setzen wir ihm die Ware vor die Nase, wie er es erwartet. Es gibt nun zwei Möglichkeiten – entweder ist dieser Romanowski ein ganz raffinierter Knabe, der selbst das Kokain aus dem Wagen holt und irgendwohin bringt. Dann wird niemand kommen. Oder das Geschäft findet bei den Wagen statt, dann muß der hiesige Abholer irgendwann erscheinen. Wann wird das sein?«
»In der Nacht, Genosse Major«, sagte Leutnant Stupkin.
»Sie sind ein kluger Kopf, Igor Michailowitsch. Riegeln Sie die ganze Gegend ab. In der Nähe der Wagen postieren Sie Scharfschützen. Ich werde mich selbst davon überzeugen. Wenn ich einen von Ihren Leuten sehe, bekommen Sie ein Kommando in der Taiga. Und Sie greifen erst ein, wenn der Kerl die Ware wegträgt. Sind die Säckchen versteckt?«
»Wo sie waren, Genosse Major.«
»Weisen Sie Ihre Leute ein. Ich werde auch in der Nähe sein, Igor Michailowitsch.«
Und so kam die Nacht.
Dr. Rölle schlief bei Laska, der Futtermeister bei den anderen Pferden. Abseits von den Ställen, in völliger Dunkelheit, bildeten die Soldaten einen Kordon um den Platz. Leutnant Stupkin machte noch einmal mit einer Taschenlampe winkend, bei seinen Scharfschützen die Runde. Er zuckte zusammen, als er auf dem ausladenden Ast eines breitkronigen Baumes eine dunkle Gestalt hocken sah.
»Gehen Sie weiter, Sie Idiot!« zischte Borolenko. Er saß vier Meter von Hartungs Transporter entfernt zwischen Himmel und Erde. »Ich gebe das Signal. Dann alle Scheinwerfer hier auf die Wagen und ohne Anruf schießen.«
Leutnant Stupkin rannte weiter.
Der Kordon war lückenlos und unsichtbar.
Aber der Mann oder die Männer, auf die sie warteten, kamen nicht.
Bis zur Morgendämmerung hockte Borolenko auf seinem Ast, dann gab er auf. Steif, ächzend kletterte er auf die Erde. Leutnant Stupkin tauchte auf, mit roten, übermüdeten Augen.
»Morgen wieder«, sagte Borolenko matt. »Jede Nacht, und wenn wir wie die Kakerlaken herumkriechen, ich brauche Beweise.«
Sie kennen mich nicht, dachte Borolenko. Ich bin klein und dick, aber ich bin kein Idiot! Und ich habe Zeit, viel Zeit …
Im Hotel ›Ukraina‹ hatte man es sich abgewöhnt, weiter zu protestieren. Fallersfeld schwieg, Hartung schwieg, die anderen Reiter vertrieben sich die Zeit mit Lesen. Radiohören, Schlafen und Essen, Angela zeichnete aus Langeweile den Kopf ihrer Bewacherin mit Bleistift auf ein Blatt Papier, und als das Porträt fertig war, nahm es der weibliche Leutnant weg und sagte hart: »Beschlagnahmt!« Nur Romanowski rebellierte, warf am zweiten Tag das Schachbrett an die Wand und brüllte den Leutnant an.
Major Borolenko machte mehrmals am Tag seine Runden durch die Zimmer wie ein Chefarzt seine Visiten. Er wirkte müde und schlapp, seine Augen waren geschwollen und gerötet, aber seine Stimme klang immer noch freundlich
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