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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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zum Ausgang. Sekunden später hatte sie ihn erreicht und war draußen.
    »Thomas Kind!« rief Danny mit hallender Stimme. »Lassen Sie meinen Bruder frei!«
    Kind umklammerte die Maschinenpistole fester. Seine Augen suchten weiter die Bahnhofshalle ab. Das Dunkel, die hellen Lichtflecken unter den Oberlichten, dann wieder die dunklen Ecken.
    »Sie ist fort, Kind. Sie sind jetzt ohnehin erledigt. Davon, daß Sie meinen Bruder erschießen, haben Sie nichts. Ich bin es, auf den Sie es abgesehen haben.«
    »Zeigen Sie sich!«
    »Lassen Sie ihn erst laufen.«
    »Ich zähle bis drei, Pater. Dann fange ich an, ihn in Stücke zu schießen. Eins…«
    Durch das Fenster sah Harry, wie Elena zum Führerstand der Rangierlok hinaufstieg. Er fragte sich, was sie dort oben wollte.
    »Zwei…«
    Eine Serie von kurzen, gellend lauten Pfeifsignalen ließ das Ge-bäude erzittern. Kind ignorierte sie. Er zielte mit seiner Maschinenpistole auf Harrys Kniescheibe.

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    »Danny!« brüllte Harry. »Wie heißt das Wort? Wie heißt das Wort, Danny?«
    Harry sah zu Thomas Kind hinüber. »Ich kenne meinen Bruder besser, als er glaubt.« Sein Blick ließ den Terroristen nicht mehr los.
    »Wie heißt das Wort, Danny? Das Wort?« Seine Stimme hallte von den Wänden der leeren Bahnhofshalle wider.
    »Oorah!«
    Plötzlich kam Danny mit seinem Rollstuhl aus der Dunkelheit hinter einer Trennwand im rückwärtigen Teil der Bahnhofshalle hervor.
    Harry sah, wie er sich mit beiden Händen kraftvoll ausgreifend vorwärts rollte. Dann verschwand er in einer Fläche aus gleißend hellem Sonnenlicht, das durch die Oberlichte einfiel.
    »Oorah!« brüllte nun auch Harry. »Oorah!«
    »Oorah!«
    »Oorah!«
    »Oorah!«
    Kind sah nichts als gleißend helles Licht vor sich. Da kam Harry auf ihn zu.
    »Oorah! Oorah!« brüllte er rhythmisch, ohne den Terroristen aus den Augen zu lassen. »Oorah! Oorah!«
    Plötzlich schwenkte Kind die Maschinenpistole wieder zu Harry hinüber. Gleichzeitig schob Danny den Rollstuhl kraftvoll weiter.
    »Oooorahhhhhh!«
    Dannys keltischer Schlachtruf hallte von den Marmorwänden wider, als sein Rollstuhl wieder sichtbar wurde.
    »Jetzt!« brüllte Harry.
    Kind schwenkte die Maschinenpistole wieder zu Danny hinüber, der eben seine letzten Molotowcocktails warf. Einen, unmittelbar danach den zweiten. Und beide Brandflaschen zerschellten vor Thomas Kinds Füßen.
    Thomas Kind fühlte ganz kurz den Rückstoß der Maschinenpistole in seiner Hand, dann konnte er nichts mehr sehen. Flammen umgaben ihn auf allen Seiten. Er warf sich herum und wollte flüchten.
    Aber um rennen zu können, mußte er Luft holen, und dabei inhalierte er das Feuer, atmete die Flammen tief ein und verbrannte sich die Lunge. Die Schmerzen waren schlimmer, als er sich jemals hätte 531
    vorstellen können. Es gab keine Atemluft mehr; er konnte nicht einmal mehr schreien. Er wußte nur, daß er in Flammen stand und zu laufen versuchte.
    Und dann schien die Zeit mit einemmal langsamer abzulaufen. Er sah, daß er ins Freie gelangt war, nahm den Himmel über sich wahr und das weit geöffnete Tor in der Vatikanmauer. Seltsamerweise und trotz der gräßlichen Schmerzen, die jetzt seinen ganzen Körper erfaßt hatten, empfand er tiefen Frieden. Was er in seinem Leben getan hatte oder was aus ihm geworden war, spielte keine Rolle mehr.
    Thomas José Alvarez-Rios Kind wurde von dem Leiden erlöst, das letztlich seine Seele zerstört hatte. Daß der Preis dafür erschreckend hoch war, brauchte ihn nicht mehr zu kümmern, denn in wenigen Augenblicken würde er frei sein.
    Während die Rangierlok weiter schrill pfiff, rannten Scala und Castelletti das Gleis entlang. Erst Schüsse, dann dieses Pfeifen, ohne daß der Zug auftauchte – zum Teufel mit allen Dienstvorschriften, sie mußten hinein! Unvermittelt blieben sie stehen. Ein in Flammen stehender Mann kam auf den Gleisen durch das Tor in der Vatikanmauer taumelnd auf sie zugelaufen.
    Die beiden Kriminalbeamten hielten den Atem an, als der Mann weiterlief. Zehn Meter weit, fünfzehn Meter. Dann wurde er langsamer, stolperte einige Schritte weiter und brach auf den Gleisen zusammen. Er war nicht weiter als dreißig Meter in Italien.

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    Harry hörte den dröhnenden Knall, mit dem das massive Eisentor in der Vatikanmauer sich hinter ihm schloß. Vor ihm fuhr ein Notarzt-wagen durch ein Meer aus schwerbewaffneten Schweizergarden in blauen Hemden auf den Bahnsteig außerhalb des Gebäudes. Das Fahrzeug wendete,

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