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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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gestohlen, das bei einer etwas eindrucksvolleren Gestalt als einem Fischotter wohl als gefährlich zu bezeichnen gewesen wäre.
    »Sie wollte gehen. Es steht mir nicht zu, sie aufzuhalten«, stellte Felix seltsam gleichgültig klar. Abwesend blickte er in seinen Cognacschwenker. Für einen Augenblick empfand ich das tiefe Bedürfnis, ihn in eine brüderliche Umarmung zu ziehen, ihm zu versichern, wie leid es mir tat – alles.
    »Zumindest wird sie in Wien vor Buckingham in Sicherheit sein«, sagte ich mit einem warnenden Blinzeln zu Lysander.
    »Sie ist jung. Sie hat Angst. Und wenn sie nicht darauf gehofft hätte, dass ihr ehrenwerter Herr Papa ihr zu Hilfe eilte, hätte sie kaum eine derartige Notiz hinterlassen«, belehrte er uns, während er aufgeregt auf dem langen Diwan hin und her zu eilen begann – wie es nun einmal seine enervierende Angewohnheit in Momenten der Anspannung war.
    Felix bedachte ihn mit einem verächtlichen Lächeln.
    »Wenn ich Sie so sprechen höre, wäre ich beinahe versucht
anzunehmen, dass Sie weit mehr über heranwachsende Mädchen wissen, als es der Fall sein kann.«
    Lysanders Schnurrbarthaare zitterten. »Nun, meine Töchter sind wenigstens niemals Hals über Kopf aus ihrem Heim geflohen!«
    »Du hast mir nie erzählt, dass du Töchter hattest«, warf ich ein. Vergeblich kämpfte ich gegen ein vages Gefühl von Neid und Einsamkeit. Selbst Felix, selbst Lysander, die zwei ungewöhnlichsten und schwierigsten Persönlichkeiten, deren Lebenswege jemals den meinen gekreuzt hatten, hatten Kinder, die ihren Namen, ihre Erinnerungen, so fragmentarisch und unwahr diese auch sein mochten, weitertragen würden in das blasse Land der Zukunft.
    »Nein«, schnappte Lysander kurz angebunden. »Nachdem sie beide vor knapp zwei Jahrhunderten gestorben sind, sah ich bisher wenig Veranlassung, dich mit meiner Familiengeschichte zu behelligen.«
    Ein Hauch Ironie war in Felix’ Stimme zurückgekehrt, als er leichthin einwarf: »Wirklich, Lysander, irgendwann, wenn der Zeitpunkt nur etwas geeigneter ist, müssen Sie mich in die Mysterien, die Ihre Existenz umgeben, einweihen. Vor zwei Jahrhunderten, sagten Sie?«
    »Catherine starb am 12. Juni 1714. Mary folgte ihrer Schwester drei Jahre, zwei Monate und fünf Tage später ins Grab«, sagte Lysander sehr kalt, ehe er behände vom Sofa sprang und in Richtung Tür eilte.
    »Wo willst du hin?«, rief ich mit einiger Verspätung. Ich stand noch immer im Bann der Eröffnung, die mein alter Freund, den ich in- und auswendig zu kennen meinte, gemacht hatte. Tatsächlich fiel es mir manchmal schwer, mir in Erinnerung zu rufen, dass Lysander einst ein Mensch gewesen war: ein Offizier und Familienvater und Gentleman.
    Abrupt und beinahe komisch rutschend, kam Lysander auf
dem blanken Parkett zum Stehen. »Ich wecke Mirko, damit er mich nach Wien begleitet«, erklärte er, als handle es sich um die selbstverständlichste Nachtgestaltung der Welt.
    »Sie wollen nach Lili suchen?«, vergewisserte sich Felix.
    »Wenn Sie es nicht tun, ja«, erwiderte Lysander kampfeslustig.
    Ich sah den Zeitpunkt gekommen, zu schlichten. »Es ist keine schlechte Idee, Felix«, wandte ich mich an Trubic, dessen blasse Wangen vor Empörung hektisch-rote Flecken aufwiesen.
    Lysander bedachte mich mit einem abfälligen Blick. »Keine schlechte Idee? Abgesehen davon, dass der Sinn für Menschlichkeit es befiehlt«, er wandte sich Trubic zu, »sagten Sie, dass Master Buckingham von Lili die Begleichung einer wie auch immer gearteten Schuld forderte. Vielleicht möchten Sie uns dies etwas präziser erklären, Sir?«
    Ein Hustenanfall erschütterte Felix, ehe er antwortete: »Ja nun, als ich Ihrem Master Buckingham just diese Frage stellte, machte er Anstalten, mit blitzenden Fangzähnen und fauchend wie eine missgelaunte Katze, die man von ihrem Platz am Ofen verscheucht hat, auf mich loszugehen.«
    Ruckartig stellte ich mein Glas ab. »Konntest du ihn abwehren?«
    Als sich Felix’ Lippen zu einem müden Lächeln kräuselten, begriff ich. Mit nachlässiger Geste schob er den schwarzen Seidenschal, den er sich nach der Mode der Pariser Boheme um den Hals geschlungen hatte, ein Stückchen nach unten, um den Blick auf zwei winzige, dunkelrot-verkrustete Wundmale freizugeben, wie sie einzig die Bisse eines Vampirs verursachten. Wie oft hatte ich derartige Narben schon gesehen – an Toten, an Lebenden, an Fremden, an Freunden, an mir selbst, wenn ich mich in Momenten müßiger Eitelkeit

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