Des Teufels Maskerade
Geschwindigkeit zu bewegen, die unangenehmste Eigenschaft von Vampiren. Nur in Ausnahmesituationen kommt man im Umgang mit ihnen in den Vorzug, das Überraschungsmoment auf der eigenen Seite zu wissen.
Heute, da wir so geräuschlos, wie wir nur vermochten, durch die Gartenanlagen des Burgbergs schlichen, war das Glück mit uns: Eine Weile schon konnten wir nun aus sicherer Entfernung den Nosferatu beobachten. Offenkundig tief in Gedanken versunken kauerte er, den Kopf in beide Hände gestützt, auf dem Sockel der Statue, die Libuše und Premysl zeigte.
»Hoffen wir, dass er nicht durstig ist«, flüsterte ich Lysander zu, ehe ich mit lauter Stimme rief: »Master Buckingham! Erinnern Sie sich noch an uns?«
Der Vampir sprang auf, seine bernsteinfarbenen Augen schienen in der Dunkelheit zu leuchten.
Gemessenen Schritts trat ich aus den Schatten, Lysander dicht an meinen Fersen.
»Master Buckingham?«, wiederholte ich, nachdem der Vampir außer einem kehligen Drohgeräusch keine weitere Reaktion gezeigt hatte. Aus Gründen, die ich wohl nicht weiter erläutern muss, war es mir sehr wichtig, dass der Nosferatu einen Gesprächspartner und keine bloße Jagdbeute in mir sah.
Einen bangen Augenblick lang warf er den Kopf zurück, witterte in die Nacht wie ein Wolf, zum Sprung bereit, dann entspannte sich seine Körperhaltung etwas.
»Sie sind es, Sirco«, grüßte er mich in akzentbehaftetem Tschechisch. »Sie kommen spät. Ich hatte Sie bereits vor einigen Nächten erwartet.«
Master Alvin Buckingham, der Vampir vom Vyšehrad, bot stets aufs Neue einen höchst eindrucksvollen Anblick, wenn man ihm erst gegenüberstand: Gelblich-braune Augen leuchteten in einem Gesicht, das so bleich und hart schien, dass es einer Marmorbüste zu Ehren gereicht hätte. Wenn er lächelte – und das tat er häufig –, blitzten zwei äußerst einprägsame, spitz zulaufende Fangzähne zwischen vollen, dunkelroten Lippen. Seiner Neigung zu grotesken Auftritten nachgebend, trug er in jener Nacht einen altmodischen Anzug, der zur Gänze aus dunkelgrünem Samt geschneidert war. Die dunkelbraunen Locken verschwanden teilweise unter einem schwarzen Dreispitz.
Lysander schnaubte.
»Auch Sie heiße ich willkommen, Sutcliffe«, sagte der Vampir beinahe freundlich. »Ich nehme an, Sie beide sind wie
üblich gekommen, um mir zu erklären, dass ich in Prag nichts verloren habe?«
»Wir hatten eine Abmachung, Master Buckingham«, wagte ich ihm ins Gedächtnis zu rufen.
Der Vampir bleckte seine glänzenden Zähne zu der bösen Parodie eines Lächelns, doch er schwieg.
»Wenn Sie auch nur einen Menschen töten, werden Sie wünschen, niemals hierher zurückgekommen zu sein«, versuchte ich zu drohen.
Nun lachte Buckingham. »Wenn ich Lust habe, den Todesmoment meiner Opfer auszukosten, dann werde ich es tun, ganz, wie es mir beliebt. Und wenn ich es wünsche, dann sind Sie, Baron, der Nächste, an dem ich mich nähren werde.«
Seine bemerkenswert lange Zunge leckte über seine Lippen, gerade so, als freute er sich auf ein delikates Mahl. Was ich, aus der Sichtweise eines Vampirs, zweifelsohne darstellen mochte.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Buckingham rasch, als ich unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. »Es würde mir gegenwärtig nur wenig Vergnügen bereiten, Sie zu töten …«
Er fixierte mich, seine Bernsteinaugen schienen geradewegs in die Untiefen meiner Seele zu tauchen. Doch einen weiteren Kuss wirst du mir gewähren , hörte ich ihn in einer Sprache sagen, die nur in meinem Kopf hallte; einer Sprache, die nicht auf dem artikulierten Wort beruhte, sondern auf Blicken und der Kunst der Gedankenübertragung. Aus weiter Ferne meinte ich, Lysander meinen Namen rufen zu hören. Seine Schnauze stieß gegen meinen Unterschenkel, doch ich konnte mich nicht mehr regen, die stummen Worte des Vampirs hatten mich gänzlich gefangengenommen.
Einen Kuss.
Ich wusste, was folgen würde – und ich hasste es. Hasste mich für meine Angst, hasste mich für die pervertierte Erregung, die mich durchfuhr, als der Vampir seine messerscharfen
Fangzähne in meinen Hals schlug. Brennender Schmerz, eiskalte Finger schlossen sich um meine Handgelenke, Dämonenleib dicht an mich geschmiegt, unbarmherzig trank er mein Blut. Rote Schleier legten sich über meine Augen; Panik des Ausgelieferten, Futterquelle und Lustobjekt zugleich zu sein, überfiel mich. Dann, mit einem kehligen Stöhnen, ließ er ab von mir und ich brach in die Knie,
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