Des Teufels Maskerade
Augenblick versank der Vampir gänzlich in der Betrachtung der schmalen Mondsichel. Dann maß er mich lange mit funkelnden Augen, in denen Hunger und Sehnsucht gleichermaßen brannten.
»Eine schöne Nacht«, murmelte er.
Ich tauschte einen Blick mit Lysander. Es war kein Geheimnis,
dass Vampire höchst empfindlich auf den Mond reagierten.
Rückzug, signalisierte mir Lysander mit einer hastigen Kopfbewegung.
Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.
»Ich war erstaunt«, sagte Trubic und stellte damit unter Beweis, dass es ihm entschieden an Wortschatz mangelte, um die höchst widersprüchlichen Emotionen zu beschreiben, die einen denkenden Menschen zwangsläufig heimsuchen mussten, wenn er in sein Domizil zurückkehrte und ebendort, unruhig in der Vorhalle auf und ab schreitend, einen grimmigen Vampir mit einer weinroten Samtkappe auf dem Kopf vorfand.
»Master Buckingham, also wirklich.« Felix’ ausgesprochen bleiche Gesichtsfarbe betrog die Worte um ihren intendierten spöttischen Klang. »Es wäre wirklich eine Tat der Nächstenliebe, diesem Vampir einen weniger absurden Künstlernamen ans Herz zu legen. Ich glaube nicht, dass ihn irgendjemand als Master Alvin Buckingham ernst nimmt. Und erst dieser lächerliche Hut …«
»Vampire haben kein Herz«, unterbrach ihn Lysander ruhig, worauf Felix noch eine Spur blasser wurde und seinen Cognacschwenker so fest umklammerte, als hielte er sich daran fest.
»Aber was war sein Anliegen?«, erkundigte ich mich. Träge lehnte ich mich in dem Samtsofa zurück und hoffte, mir den Anschein verleihen zu können, voll und ganz Herr dieser mehr als außergewöhnlichen Situation zu sein.
Keine zwei Stunden, nachdem Lysander und ich von unserem beinahe katastrophalen Rendezvous mit dem Vampir zurückgekehrt waren, war ein Diener Trubics bei uns erschienen, mit der Botschaft, dass sein Herr dringend unserer Anwesenheit bedürfe. So hatten wir zum zweiten Mal in dieser Nacht
eine eilige Fahrt durch die mittlerweile fast ausgestorbenen Straßen der Stadt angetreten. Und hier waren wir nun.
Mechanisch begann Felix, über Lysanders dichten, glänzenden Pelz zu streichen. Dass mein Gefährte eine derart entwürdigende Behandlung anstandslos über sich ergehen ließ, mag den Ausnahmezustand, in dem wir uns alle befanden, hinreichend illustrieren.
»Lili«, murmelte Felix nach einer Weile. Und nachdrücklich, als würde diese Ergänzung alle Fragen restlos klären, fügte er hinzu: »Meine Tochter.«
Ich weiß nicht, ob meine vielgerühmte Selbstbeherrschung mich ausgerechnet in jenem Moment, da ich ihrer so dringend bedurfte, verlassen hatte. Lysander nach meinem Mienenspiel zu fragen, habe ich niemals gewagt.
»Deine Tochter?«, wiederholte ich. »Seit wann hast du eine Tochter?«
Zugegeben, nicht der relevanteste Aspekt, jedenfalls nicht unter den vorherrschenden Gegebenheiten.
Lysander stieß ein kurzes, humorloses Keckern, das alles Mögliche bedeuten konnte, aus, ehe er mit dem ihm eigenen Sinn für Logik fragte: »Und was genau wollte der Vampir von ihr?«
Langsam hob Felix den Kopf, wandte mir sein müdes Gesicht zu. »Sie an ein Versprechen erinnern. Sie dazu bringen, ihre Schuld zu begleichen.« Eine vage Handbewegung illustrierte seine ebenso vagen Worte. »Was weiß ich. Spielt auch keine Rolle mehr.«
»Spielt keine Rolle mehr – weshalb?«, erkundigte sich Lysander, ehe ich eine etwas taktvollere Reaktion, wie »Sie ist doch in Sicherheit?« anbringen konnte.
Trubics Hände zitterten merklich, als er unsere Cognacgläser abermals füllte. Mit großer Selbstverständlichkeit platzierte er ein drittes Glas vor Lysander, der diesen faux-pas großzügig übersah.
»Sie ist fort«, erklärte Felix und zog einen Briefbogen aus der Innentasche seines Gilets. Mehrere Jahrhunderte schienen zu verstreichen, ehe es ihm gelang, das Papier zu entfalten. Kommentarlos reichte er es an mich weiter.
»Ich reise noch heute mit dem Nachtzug nach Wien«, stand da, in einer kleinen, ordentlichen Jungmädchenschrift. »Lass mich gehen. Bitte. In Liebe, Lili.«
Lysander richtete sich auf seine Hinterbeine auf, kaum dass ich die kurze Nachricht verlesen hatte. »Und Sie haben sie tatsächlich ziehenlassen?«, fauchte er. »Statt ihr zu folgen, haben Sie lieber nach uns schicken lassen! Ziehen es vor, auf Polstersofas Brandy zu trinken, als Ihr eigen Fleisch und Blut von einer Dummheit abzuhalten!«
In die schwarzen Knopfaugen meines Gefährten hatte sich ein Funkeln
Weitere Kostenlose Bücher