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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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wann genau meinen Großvater sein scheußliches Schicksal ereilt hatte. Nun, nachdem ich hier nur widersprüchliche Aufzeichnungen zur Hand habe, gedenke ich einen Familienbesuch in der Provinz  – will heißen, etwas außerhalb der Stadt – zu unternehmen, um mir ein paar Informationen anzueignen.« Voll Elan, obschon er in der letzten Nacht noch weniger Ruhe gefunden haben musste als ich selbst, sprang er auf. »Und du wirst mich begleiten.«
    Ich nickte, auch wenn mir gegenwärtig der Sinn allein danach stand, mich hinter zugezogenen Vorhängen in einem bequemen Bett auszustrecken und den Tag zu verschlafen. Dennoch hatte ich das Gefühl, Felix etwas schuldig zu sein.
    »Es tut mir leid«, sagte ich, ohne genau zu wissen, wofür ich mich eigentlich entschuldigte.

    Felix lächelte dünn. »Mir tut es auch leid«, antwortete er zu meiner größten Überraschung.
    Ich blinzelte und sah zu ihm auf. Wie beiläufig streiften meine Blicke über seinen schlanken Oberkörper, die furchtbaren Narben, die sich über seinen Bauch zogen, tiefer wiesen – und wie mit einem Schlag kehrte die Erinnerung zurück an diesen einen, unendlich langen, peinvollen Augenblick, der sich nicht hatte mit Cognac und nicht mit Worten überwinden lassen. Dieses Schweigen, das ich mit der dümmsten aller möglichen Fragen durchbrochen hatte: »Wie ist es geschehen?«
    Und Felix hatte gelächelt, so wie er auch jetzt lächelte, wie er immer lächeln würde, ein spöttisches Verziehen der Lippen, das die Bitterkeit in seinen Augen doch nicht verschleiern konnte.
    »Es war im Krieg«, hatte er mir geantwortet, »einer jener Kriege, von denen du in keiner Zeitung und keiner Depesche lesen wirst. Ein Krieg, von dessen Existenz nur ein paar kodierte Dokumente, sicher aufbewahrt in einem Bureau, dessen Namen du niemals hören wirst, zeugen.«
    Betreten senkte ich nun den Kopf.
     
     
    Kaum zwei Stunden später waren wir unterwegs. Felix, aus unerfindlichen Gründen wild entschlossen, den Landadeligen zu geben, hatte darauf bestanden, in den Stallungen unweit des Hradschiner Platzes zwei Reitpferde zu mieten, statt einer Droschkenfahrt den Vorzug zu geben.
    »Weshalb hast du mich wirklich für diesen Auftrag angeworben?« , wollte ich unvermittelt wissen, als wir in langsamem Schritttempo hügelabwärts durch die verwinkelten Gassen der »Neuen Welt« ritten, ein verschlafenes kleines Viertel, in dem sich seit Premysl Ottokars Zeiten kaum etwas verändert haben mochte.

    »Deine Erfahrungen mit den Mächten, gegen die wir zuweilen kämpfen, reichen weiter zurück als die meinen. Weshalb versuchst du das Geheimnis nicht selbst zu lüften?«
    Felix blickte über die Schulter zu mir zurück; die Gasse war zu schmal, dass zwei Pferde hätten nebeneinander gehen können. »Aber das habe ich getan. Fünfundzwanzig Jahre lang habe ich es versucht – und bin gescheitert.«
    In einer etwas breiteren Straße angelangt, brachte er seinen Schimmel, ein schönes, kräftiges Tier, zum Stehen. Ich tat es ihm gleich.
    »Wenn jemand dieses Rätsel erkunden, diesen Fluch abwenden kann, dann sind es wir beide – du und ich«, sagte er ruhig. Lange sah er mir in die Augen. »Du erinnerst dich mit Sicherheit nicht mehr daran, doch damals , als du die Armee verlassen musstest, da wollte ich dich dafür gewinnen, mit mir zusammenzuarbeiten.«
    Ich nickte vorsichtig; mein Brauner schnaubte, tänzelte unruhig. »Ich entsinne mich.«
    »Wir wären unbesiegbar gewesen, gemeinsam. Aber du wolltest es nicht. Deine eigene Berufung finden, ha! Jetzt wühlst du in den Geheimnissen der feinen Gesellschaft und scheiterst daran, deinen Vampir vom Vyšehrad ein für alle Mal zu bannen. Und das wirst du auch noch in zwanzig, dreißig Jahren tun, bis es aus ist mit deiner kleinen, dummen Existenz.« Er seufzte schwer. »Und doch brauche ich deine Hilfe.«
     
     
    Ein Billett von Esther erwartete mich, als ich sehr spät an jenem Abend nach Hause kehrte: »Der Marchese schlägt vor, dass wir uns morgen, am Abend, so um sieben, halb acht herum, alle zusammen treffen. Damit Ihr über die Rennfahrereien reden könnt und mir nur ja recht schön fad ist.«
    Ich legte das Briefchen beiseite, wanderte ziellos durch die
Wohnung. Lysanders und Mirkos Abwesenheit ließ sie mir größer und fast ein wenig einsam erscheinen: So sehr hatte ich mich in den letzten Jahren an meine beiden Begleiter gewöhnt, dass ich mich kaum noch erinnern konnte, wie es war, als ich allein hier gelebt hatte.

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