Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
Vom Netzwerk:
Freilich, damals hatte ich sehr oft Besuch empfangen, einen gewissen Besuch …
    Energisch schüttelte ich den Gedanken ab. Meine vage Melancholie, entschied ich, schuldete sich einzig meiner Müdigkeit. Den gesamten Tag hatten Felix und ich mit Recherchen auf den Gütern, die seinem Großvater gehört hatten, zugebracht, ohne zu tiefergehenden Erkenntnissen zu gelangen, außer dass er höchstwahrscheinlich in der Nacht des 7. Julis 1861 ermordet worden war. Ebenso wie dessen Großvater.
    Der 7. Juli, der Bluttag, der meine angenommene Spur zur Schlacht am Weißen Berg vernichtete.

4
PRAG UND WIEN 17. BIS 19. JUNI 1909

    17. Juni 1909,
im Zug irgendwo zwischen Prag und Wien
     
    Liebe Esther,
    heute muss ich Dir einen schwierigen Brief schreiben. Möglich, dass Du nach Ende der Lektüre nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Umso besser wird es sein, dass Dich diese Zeilen erst erreichen, wenn ich schon sehr weit fort bin.
    Gestern Nacht habe ich aufgrund eines Missgeschicks beim Packen für unsere Fahrt nach Wien etwas gefunden, das ich im Leben nicht hätte finden wollen. Ich gestehe, ich habe ein bisschen in Dejans Garderobe gestöbert, nach dem einen oder anderen mondänen Accessoire, das ich mir hätte borgen können, und da waren sie plötzlich: Ein paar Seiten eines Tagebuchs, versteckt in einer Hutschachtel, zwischen hässlichen Krawatten.
    Ich weiß, was Du jetzt sagen wirst, Esther. Beinahe kann ich Dich durch das Rattern der Räder fluchen hören, und Du hast ganz Recht. Es war ein harter Kampf – von mir gegen mich –, den schlussendlich doch ich gewonnen habe.
    Dejan hat mir bei aller Großmut und Freundlichkeit nie besonders viel über sich selbst verraten. Denk’ ich Schwachkopf mir, das ist die Gelegenheit, ein wenig über seine Vergangenheit herauszufinden. Wenn er diese Seiten schon aufgehoben hat, und den Rest des Tagebuchs nicht, da müssen sie doch eine außerordentliche Geschichte erzählen? Etwas, das ihm wichtig ist, aber so wichtig auch wieder nicht, dass er sie an einem Ort stationiert hätte, wo Leute gemeinhin Dinge, die ihnen kolossal wichtig sind, aufbewahren. Also, kurz und gut, ich war neugierig. Und ich habe sie gelesen.
    Anbei schicke ich Dir die fraglichen Tagebuchseiten. Ich habe sie mitgenommen, ich weiß nicht, warum. Ich glaube, ich wollte sie Lysander zu lesen geben, aber jetzt hat mich doch der Mut verlassen. Was Dejan auch tut, Lysander wird immer als Freund weiter an seiner Seite stehen.

    Lies das Tagebuch, oder auch nicht. Gib es Dejan zurück, oder auch nicht. Lass Dir nur gesagt sein, er ist nicht derjenige, für den Du ihn hältst. Für den ich ihn gehalten habe. Er hat unaussprechliche Dinge getan – und er hat uns alle belogen. Keinen Deut besser ist er, als manche der Kreaturen, die er jagt.
    Ich weiß jetzt auch, warum er sich die Mühe gemacht hat, einen vierzehnjährigen Gassenjungen als Schüler zu sich zu nehmen und ihn jahrlang zu unterrichten. Verdammt soll ich sein, dass ich die widerliche Absicht nicht eher erkannt habe.
    Lebe wohl, Esther. Wiedersehen sollen wir uns nicht mehr. Ich werde Lysander noch helfen, Lili Trubic zu finden. Es ist meine Pflicht, und ich will nicht aus Egoismus das Leben eines Menschen unnötig gefährden. Aber nachdem dieser Fall beendet ist, da werde ich gehen, wohin auch immer das Schicksal mich verschlagen mag. Solltest Du versucht sein, Dir Sorgen um mich zu machen, tu es nicht! Menschen wie ich sind geboren zum Überleben.
     
    Mirko

TAGEBUCH DEJAN SIRCOS AUS SEINER MILITÄRZEIT
    26. August 1896
     
    Seit zwölf Tagen in einem armseligen Dorf bei Mostar stationiert. Einziger Vorteil besteht in einer nahtlosen Anbindung an die neue Bahnlinie. Warum wir hier sind, weiß keiner mit Gewissheit zu sagen, nicht einmal Major Waldhausen. Gerüchte über drohende Revolten und Anschläge auf die Bahnstrecke kursieren. Eine Aufgabe, derer anzunehmen sich auch die örtliche Polizei gewachsen fühlen sollte.
    Immerhin sind wir Offiziere und Trubic in einem recht annehmbaren Landhaus untergebracht. Ansonsten ebenso heiß wie langweilig. Ich gewinne stetig den Eindruck, dass Graf Trubic der einzige Mensch hier ist, mit dem man sich über anspruchsvollere Themen als Huren, Pferde und Waffen unterhalten kann – auch wenn er sehr schweigsam ist in Bezug auf sämtliche Gründe seiner Anwesenheit in unserem Regiment.
    Als ich ihn vorgestern nach dem Diner, wir standen auf der großen Terrasse vor dem Haus, offen darauf ansprach,

Weitere Kostenlose Bücher