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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Ferienhaus mit vier Zimmern. Als ich mich darüber wunderte, erklärte mir der Makler, Ferienhäuser seien ein unzuverlässiges Geschäft, der Eigentümer von Barton House aber lege Wert auf ein festes regelmäßiges Einkommen. Da ich es mir leisten konnte, akzeptierte ich seine Erklärung und überwies ihm das Geld unter dem Namen, den ich im Hotel benützt hatte, dem Mädchennamen meiner Mutter – Marianne Curran. Aber selbst wenn er mir die Wahrheit gesagt und mich darauf aufmerksam gemacht hätte, dass das Haus in schlechtem Zustand war, hätte ich es genommen. Ich wollte mich zu dieser Zeit unter allen Umständen der Welt entziehen.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte – mich in einem kleinen Dorf einzunisten, wo ich einfach die Tür hinter mir zumachen konnte, wenn mir danach zumute war. Ja, das war es vielleicht. Die Realität sah jedenfalls ganz anders aus. Alle Formalitäten waren über E-Mail und Telefon abgewickelt worden, bis ich endlich vor einer halben Stunde bei dem Makler in Dorchester den Schlüssel abgeholt hatte. Das Foto des Hauses im Internet hatte eine mit Kletterpflanzen bewachsene Steinfassade gezeigt und auf der Seite das Dach eines weiteren Gebäudes (einer Garage, wie ich später entdeckte). Da der Adresse zufolge das Haus in Winterbourne Barton war, hatte ich automatisch angenommen, es stünde mitten im Dorf.
    In Wirklichkeit stand es hinter hohen Hecken, ein gutes Stück vom nächsten Haus entfernt, und war von der Straße aus kaum zu sehen. Es verhieß Menschenleere – ja, völlige Abgeschiedenheit –, und nachdem ich meinen neu erworbenen Mini vor der Einfahrt angehalten hatte, starrte ich mit angstvoll stolperndem Herzen durch die Windschutzscheibe. Die Menschenmassen in London waren in den drei Wochen, die ich bei meinen Eltern verbracht hatte, ein Alptraum gewesen, weil ich nie wusste, wer sich hinter mir befand. Aber das hier war ja noch schlimmer. Mutterseelenallein hier zu hausen, allen Blicken entzogen, ohne Schutz, ohne einen Menschen in Rufweite.
    Die Hecke warf lange Schatten, und der Garten war so dicht zugewachsen und verwildert, dass dort ein ganzes Heer von Bösewichten hätte lauern können, ohne von mir bemerkt zu werden. Seit dem Moment, als ich in Heathrow gelandet war, versuchte ich, meine Angst zu überwinden, indem ich mir immer wieder vor Augen hielt, was Tatsache war:
Ich war nicht mehr in Gefahr, weil ich getan hatte, was man von mir verlangt hatte.
Doch der Angst kann man mit Vernunft nicht beikommen. Sie ist ein ungeheuer starkes Gefühl und für alle Logik unempfänglich. Man kann nichts weiter tun, als alles einfach über sich ergehen zu lassen.
    Ich fuhr schließlich in die Einfahrt hinein, weil ich nicht wusste, wohin sonst. Das Haus war ganz schön – ein niedriger rechteckiger Bau aus dem achtzehnten Jahrhundert –, aber aus der Nähe waren die Zeichen der Verwahrlosung nicht zu übersehen. Sonne und salzige Winde hatten Türen und Fensterrahmen stark zugesetzt, und auf dem Dach waren so viele Schindeln verschoben, dass ich mich fragte, ob es dort wohl hereinregnete – ungeachtet der Versicherungen des Maklers auf seiner Website, das Objekt sei in gutem Zustand. Die Frage beunruhigte mich nicht weiter – ich hatte schon weit Schlimmeres erlebt, vor kurzem erst in Bagdad, wo ganze Häuser in Trümmern lagen –, aber mir ging langsam auf, warum Barton House im Vergleich zu Ferienhäusern mit vier Zimmern so günstig zu haben war.
    Kennt einer von uns den Punkt, an dem er die Nerven verliert? Meiner war da, als der große eiserne Schlüssel zur Haustür klemmte und wie aus dem Nichts fünf Mastiffs erschienen. Ich hatte mein Handy herausgekramt, um die Sache mit dem Schlüssel zu klären, und bemerkte die Hunde erst, als einer von ihnen zu knurren begann. Die Schnauzen nur Zentimeter von meinem Rock entfernt, umstellten sie mich, und ich spürte förmlich den Adrenalinschub, als die Angst mich überschwemmte.
    Eine halbe Sekunde nüchterne Überlegung hätte mir gesagt, dass der Hundehalter in der Nähe sein musste, aber ich konnte vor Angst überhaupt nicht denken. Ich merkte nicht einmal, wie mir das Handy aus der Hand fiel. Man kann sich selbst in seinem Selbstvertrauen bestärken so oft man will, es hilft gar nichts, wenn die Furcht so dicht unter der Oberfläche sitzt, dass ein einziges Hundeknurren Alpträume wiedererwecken kann. Ich hatte die Hunde in Bagdad nie gesehen, aber ich konnte sie noch immer hören und ihre Anwesenheit spüren,

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