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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gebückt, um durch das Autofenster sprechen zu können. »Lily hat ihn nie benützt – sie hat die Tür von innen verriegelt und ist durch die Spülküche raus- und reingegangen. Es dauert ungefähr zehn Minuten, bis das Öl wirkt. Haben Sie noch andere Schlüssel bekommen? Es müssten zwei für die Hintertür da sein, ein Yaleschlüssel und einer für ein Einsteckschloss.«
    Ich schaute zu dem Umschlag auf dem Beifahrersitz hinunter.
    Ihr Blick folgte dem meinen. »Kann ich sie haben?« Sie hielt mir die offene Hand hin.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Versuchen Sie es mit Vögelzählen«, sagte sie abrupt. »Bei mir hat das immer geholfen. Spätestens bei zwanzig hatte ich meistens vergessen, warum ich damit angefangen hatte.« Sie sah mir mit ihren dunklen Augen einen Moment aufmerksam ins Gesicht, dann richtete sie sich mit einem Schulterzucken auf und ging wieder zur Haustür. Nach einiger Zeit holte sie eine Zange aus ihrem Werkzeugkasten und bewegte damit den Schlüssel hin und her. Als es ihr schließlich gelang, ihn zu drehen, machte sie die Tür auf und verschwand im Haus. Ein paar Sekunden später ging im Hausflur Licht an. Danach öffnete sie überall im Erdgeschoss die Fenster, um frische Luft hereinzulassen.
    Ich wäre am liebsten aus dem Auto gesprungen und hätte sie angeschrien. Hören Sie auf, sich einzumischen. Wer sperrt hier wieder ab, wenn ich weg bin? Aber ich hatte mich so behaglich im Nichtstun eingerichtet, dass ich es dabei beließ. Immerhin beobachtete ich die Vögel. Ich konnte gar nicht umhin. Im Garten wimmelte es von ihnen. Scharen von Spatzen, die es in der Stadt kaum noch gab, hüpften zwitschernd in den Bäumen umher, und unter dem Dach, wo die Schwalbennester hingen, herrschte reger Flugverkehr.
    Als Jess zurückkam, hockte sie sich neben der Autotür nieder, um mit mir auf einer Höhe zu sein. »Der Herd muss angezündet werden. Soll ich Ihnen zeigen, wie das geht?«
    Ich hätte sie vielleicht weiter ignoriert, aber irgendwie wäre ich mir dann doch ungezogen oder albern vorgekommen. Vielleicht hatte das Vögelzählen tatsächlich geholfen. Ich bewegte meine Zunge im Mund, um Speichel zu produzieren. »Nein, danke.«
    Sie wies mit dem Kinn zu dem Umschlag. »Sind da auch Anweisungen dabei?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wenn Madeleine sie geschrieben hat, werden Sie es nicht schaffen, den Herd anzuzünden. Sie weiß nicht einmal, wie man den Brenner zündet.«
    Es lag mir auf der Zunge zu fragen, wer Madeleine sei, und wer Lily, von der sie zuvor gesprochen hatte, aber wozu. »Ich bleibe nicht«, sagte ich.
    Das schien sie nicht zu überraschen. »Dann brauchen Sie Ihre Autoschlüssel.«
    Ich nickte.
    Sie kramte sie aus ihrer Tasche und hielt sie hoch. »Ich habe sie aus Ihrer Tasche genommen, als ich nach einem Inhalator suchte. Sie lag nicht weit von Ihrem Handy entfernt.«
    »Ich bin keine Asthmatikerin.«
    »Das dachte ich mir schon.« Sie krümmte ihre Finger um die Schlüssel. »Ich behalte sie erst mal. In diesem Zustand können Sie nicht fahren. Wenn Sie sie zurückhaben wollen, müssen Sie ins Haus kommen und sie sich holen.«
    Die Selbstverständlichkeit, mit der sie annahm, ich würde brav tun, was sie sagte, ärgerte mich. Ich hielt sie zu diesem Zeitpunkt noch für jünger, als sie war, aber in ihrer Körperhaltung drückte sich etwas Eisernes aus, eine Entschlossenheit, die mir fehlte. »Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein. Ich gehe nur auf Nummer sicher. Sie sind eine Gefahr für sich und für andere, wenn Sie sich jetzt hinters Steuer setzen.« Wieder sah sie mir forschend ins Gesicht. »Waren die Hunde der Grund?«
    Ich erinnerte mich, wie lange ich gebraucht hatte, um durch das Tor zu fahren. »Nein.«
    Sie nickte befriedigt, bevor sie die Schlüssel wieder einsteckte. »Der Arzt, der gleich kommt – Peter Coleman –, hat von Panikattacken keine Ahnung«, sagte sie unumwunden. »Er wird Ihnen wahrscheinlich raten, Beruhigungsmittel zu nehmen, und Antidepressiva verschreiben, die Ihre Stimmung aufhellen sollen. Ich habe ihn nur angerufen, um mich abzusichern, falls Sie versuchen sollten, zu klagen. Vertrauen Sie lieber den Papiertüten, das ist wesentlich sicherer.«
    Ein kleines Lachen klang wie von fern in meinen Ohren. »Sind Sie Psychiaterin?«
    »Nein, aber ich hatte mit zwanzig selbst einige Panikattacken.«
    »Wovor hatten Sie Angst?«
    Sie überlegte einen Moment. »Vor dem Versagen wahrscheinlich. Ich stand plötzlich mit einem Bauernhof da, den ich

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