Des Teufels Werk
vorne an der Straße überquoll. Ihr gehörte die Barton Farm südwestlich vom Dorf, die sie selbst bewirtschaftete und die noch einsamer lag als Barton House.
Ich entdeckte sehr bald, dass Jess in der Gegend die Frau war, die man am seltensten zu Gesicht bekam und über die am meisten geklatscht wurde. Als Erstes erfuhr jeder Neuankömmling im Dorf, dass ihre ganze Familie 1992 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Sie hatte einen Bruder und eine Schwester gehabt, beide jünger als sie, und äußerst sympathische Eltern, bis auf der Umgehungsstraße bei Dorchester ein Betrunkener in einem Range Rover mit hundertzehn Sachen den alten Peugeot ihres Vaters niedergewalzt hatte. Als Nächstes erfuhr man, dass sie damals zwanzig gewesen war, und das hieß, dass sie älter war, als sie aussah. Und schließlich hörte man, dass sie aus ihrem Elternhaus eine Gedenkstätte für die Toten gemacht hatte.
Sie war ohne Frage kein umgänglicher Mensch, und sie hatte anscheinend nichts dagegen, diesen Eindruck zu fördern, indem sie sich mit dieser Meute Mastiffs umgab, von denen jeder fünfundsiebzig Zentimeter hoch und achtzig Kilo schwer war. Am deutlichsten zeigte sich die Ungeselligkeit in ihrem unfreundlichen Blick und ihrer kurz angebundenen Art, aber die meisten Leute meinten, ihre Absonderlichkeit erkläre sich aus einem direkten Zusammenhang zwischen ihrem unreif wirkenden Äußeren – ›Entwicklungsstillstand‹ – und der morbiden Fixierung auf ihre verstorbene Familie – ›Lebensverweigerung‹. Ihr Einzelgängertum machte die Leute misstrauisch, kaum jemand kannte sie offenbar näher.
Mein erster Eindruck war nicht anders – ich fand sie sehr seltsam –, und ich war, als ich die Augen wieder aufmachte, erleichtert, dass sie weg war. Ich weiß noch, dass ich überlegte, ob sie die Hunde absichtlich auf mich gehetzt hatte, und was für ein Mensch das sein musste, der einen anderen, offenkundig Leidenden, so einfach seinem Schicksal überließ. Aber dabei wurden zu viele Erinnerungen an den Irak wach, und ich schob diese Überlegungen weg. Auf ihre Rückkehr war ich nicht vorbereitet. Als sie eine Viertelstunde später mit ihrem Land Rover durchs Tor gefahren kam und mir mit Absicht die Ausfahrt versperrte, war ich augenblicklich wieder in Alarmzustand.
Im Rückspiegel beobachtete ich, wie sie mit einem Werkzeugkasten aus Metall in der Hand ausstieg. Sie stellte sich vor den Mini und schaute durch die Windschutzscheibe, anscheinend wollte sie prüfen, ob ich noch am Leben war. Das flache, schmale Gesicht war so reglos, der forschende Blick so unwillkommen, dass ich die Augen zudrückte, um die Frau verschwinden zu lassen. Ich konnte mit allem fertig werden, solange ich es nicht sah. Wie der Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt.
»Ich bin Jess Derbyshire«, sagte sie so laut, dass ich es hören musste. »Ich habe Dr. Coleman angerufen. Er hat gerade einen Patienten, aber er hat versprochen herzukommen, sobald er fertig ist.« Ihre Sprache war leicht gefärbt vom gutturalen Dialekt dieser Gegend, und sie hatte eine sehr tiefe Stimme, als wollte sie nicht nur wie ein Mann aussehen, sondern sich auch anhören wie einer.
Ich dachte, wenn ich nicht antwortete, würde sie vielleicht gehen.
»Augen zumachen hilft nicht«, sagte sie. »Sie müssen Ihr Fenster öffnen. Es ist viel zu heiß da drinnen.« Ich hörte etwas ans Glas klopfen. »Ich habe Ihnen eine Flasche Wasser mitgebracht.«
Da ich beinahe umkam vor Durst, öffnete ich die Augen einen Spalt und begegnete wieder dem unwillkommenen forschenden Blick. Die Sonne brannte auf das Dach meines Wagens, und die Haare klebten mir schweißnass an der Kopfhaut. Sie wartete, während ich das Fenster zehn Zentimeter herunterließ, und schob mir dann die Flasche hinein, bevor sie mit einer Kopfbewegung zur Haustür wies. Sie drehte die Hand, als wollte sie anzeigen, dass sie aufsperren würde, dann ging sie weg und kniete auf der Türschwelle nieder. Ich sah zu, wie sie eine Dose Schmieröl aus ihrem Werkzeugkasten nahm und einen feinen Nebel ins Schloss sprühte, ehe sie sich auf die Fersen zurücksetzte.
Sie erinnerte mich irgendwie an Adelina, klein, tüchtig und patent, jedoch ohne die Fülle des Ausdrucks der Italienerin. Jess' Gesten waren effektiv und ohne Schnörkel, als hätte sie jahrelange Übung darin, steckengebliebene Schlüssel aus dem Schloss zu bekommen. Und vielleicht war es ja auch so.
»Er bleibt immer stecken«, sagte sie,
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