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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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und sie suchten mich in meinen Träumen heim.
    Ich bemerkte die Hundehalterin erst, als sie vor mir stand, und erkannte erst, dass es eine Frau war, als sie zu sprechen begann. Sie trug Jeans und ein Männerhemd, das viel zu weit um ihren schmalen Körper hing. Mit ihren merkwürdig flachen Gesichtszügen und dem glatt zurückgestrichenen dunklen Haar hielt ich sie zunächst für einen halbwüchsigen Jungen. Sie wog sicher keine fünfundvierzig Kilo. Das Gewicht eines Mastiffs allein hätte gereicht, um die Frau zu erdrücken.
    »Halten Sie die Hände ruhig«, sagte sie kurz. »Flattern Sie nicht herum. Das macht sie nervös.«
    Sie schnippte mit den Fingern, und die Hunde stellten sich mit gesenkten Köpfen vor ihr auf.
    »Sie sehen Madeleine ähnlich«, sagte sie. »Sind Sie mit ihr verwandt?«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, und es war mir in diesem Moment auch völlig gleich, weil ich keine Luft bekam. Ich ging in die Hocke und schnappte krampfhaft nach Luft, aber damit erreichte ich nur, dass die Hunde wieder zu knurren anfingen. In Panik schleppte ich mich auf allen Vieren zur offenen Tür des Mini und kroch in den Wagen. Ich schlug die Tür hinter mir zu und verriegelte sie, ehe ich mich weit zurücklehnte, um endlich Luft zu bekommen. Ich glaube, einer der Hunde griff den Wagen an, denn ich spürte die Erschütterung, bevor ein scharfes Kommando der jungen Frau ertönte. Aber ich hatte die Augen geschlossen und sah nichts.
    Ich wusste, was los war. Ich wusste, dass es vorübergehen würde und ich nur aufzuhören brauchte, so hastig und flach zu atmen, aber diesmal waren die Schmerzen in meiner Brust so schlimm, dass ich Angst bekam, ich hätte einen Herzinfarkt. Ich grapschte nach meinem Vorrat an Papiertüten in der Wagentür und stülpte mir eine über Nase und Mund, um leichter atmen zu können. Ich weiß nicht, wie lange das so ging. Die Zeit existierte nicht mehr für mich. Aber als ich die Augen öffnete, waren die junge Frau und ihre Hunde verschwunden.
Auszüge aus Aufzeichnungen unter dem Aktenzeichen ›CB15 – 18/05/04‹
    … Ich hatte immer Angst vor der Dunkelheit, aber jetzt sitze ich stundenlang im Dunklen. Es war ein Gefühl, als würden glühende Eisen durch meine Lider brennen, als Dan das Isolierband abriss. Er konnte es nicht fassen, als ich mich weigerte, die Augen aufzumachen und ihn anzusehen, aber ich wusste ja nicht, wer er war. Er hätte jeder x-Beliebige sein können. Die Stimme klang nicht wie seine. Er hatte auch nicht Dans Geruch.
    … Es macht mir Angst, dass ich es nicht aushalte, wenn mir jemand nahe kommt. Mein verletzbarer Raum ist auf Hausgröße gewachsen. Arbeitet die Seele so? Ich sperre mich in kleine Kammern ein, brauche aber um sie herum einen Palast, damit ich atmen kann. Ich schaffe es, mit meinen Eltern in einem Raum zu sitzen, aber mit niemandem sonst. Ich drehe durch, wenn mich auf der Straße jemand auch nur streift. Ich verlasse das Haus überhaupt nicht mehr, es sei denn, ich sitze in meinem Wagen.
    … Ich habe meinen Eltern erzählt, ich ginge in Therapie. Es ist merkwürdig, wie sehr sie das beruhigt. Es kann nichts schief gehen, wenn ich in den Händen von ›Fachleuten‹ bin. Ich glaube, meine Mutter ist insgeheim erleichtert, dass ich jegliche Hilfe von Reuters abgelehnt habe – auch wenn sie endlos danach fragt. Die Gegenleistung für offizielle Unterstützung wäre für mich die Verpflichtung gewesen, meine ›Story‹ zu liefern. Aber sie und Dad scheuen die Öffentlichkeit. Es war schwer genug für sie, als sämtliche Zeitungen über mich berichteten und Tag und Nacht das Telefon läutete …
    … Statt in eine Therapie gehe ich jeden zweiten Tag ein, zwei Stunden in eine Kirche in Hampstead. Dort ist es kühl und still, und die Kirche hat einen eigenen Parkplatz. Niemand behelligt mich dort. Sie halten es wohl für unhöflich, mich anzusprechen. Vielleicht glauben sie, ich halte Zwiesprache mit Gott …
    Barton House

4

    Unter normalen Umständen wäre ich Jess Derbyshire gar nicht begegnet. Sie lebte so zurückgezogen, dass nur eine Hand voll Leute in Winterbourne Barton je in ihrem Haus gewesen war. Die restlichen streuten mit Wonne das Gerücht aus, der Dorfpolizist schaue einmal im Monat bei ihr vorbei, um sich zu vergewissern, dass sie noch lebte. Das stimmte natürlich nicht. Der Mann fürchtete ihre Hunde genauso wie alle anderen und war der Meinung, dass es dem Briefträger schon auffallen würde, wenn der Briefkasten

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