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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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hielt die Tür auf. »Er ist da«, sagte sie über die Schulter in die Dunkelheit um das Sofa.
    Ich trat an ihr vorbei ein. Cody stand direkt hinter ihr, als wollte er ihr für alle Fälle Rückendeckung geben.
    »Cody«, sagte ich. Ich gab ihm eine Rolle Necco-Waffeln. Er nahm sie, ohne mich aus den Augen zu lassen, und ließ einfach die Hand wieder sinken, ohne die Süßigkeiten anzuschauen. Er würde sie erst öffnen, wenn ich fort war, und dann würde er sie mit seiner Schwester teilen.
    »Dexter?«, rief Rita aus dem Nebenzimmer.
    »Hier drin«, erwiderte ich. »Kannst du diesen Kindern kein Benehmen beibringen?«
    »Nein«, sagte Cody leise.
    Ein Witz. Ich starrte ihn an. Was kam als Nächstes? Würde er eines Tages singen? Auf der Straße steppen? Am Parteitag der Demokraten teilnehmen? Rita rauschte herein, während sie noch einen Kreolen an ihrem Ohr befestigte. Alles in allem war sie reichlich aufreizend fertig gemacht. Sie trug ein praktisch schwereloses blaues Seidenkleid, das bis zur Mitte der Oberschenkel fiel, und selbstverständlich ihre allerbesten Crosstrainer von New Balance. Ich hatte nie zuvor eine Frau kennen gelernt oder auch nur von einer gehört, die zu Verabredungen bequeme Schuhe trug. Das bezaubernde Geschöpf.
    »He, Hübscher«, sagte Rita. »Ich muss nur noch kurz mit dem Babysitter sprechen, dann können wir los.« Sie ging in die Küche, wo ich sie mit dem Nachbarmädchen, die den Job übernommen hatte, die Anweisungen durchgehen hörte. Schlafenszeit. Hausaufgaben. Erlaubte und verbotene Sendungen im Fernsehen. Handynummer. Notrufnummer. Was im Fall einer versehentlichen Vergiftung oder Enthauptung zu tun war.
    Cody und Astor starrten mich immer noch an.
    »Seht ihr euch einen Film an?«, fragte Astor. Ich nickte. »Wenn wir einen finden, bei dem wir nicht kotzen müssen.«
    »Jak«, machte sie. Sie schnitt eine sehr kleine, angeekelte Grimasse. Ich spürte ein winziges Glühen der Befriedigung.
    »Kotzt du im Kino?«, fragte Cody.
    »Cody«, sagte Astor.
    »Tust du’s?«, bohrte er.
    »Nein«, erwiderte ich. »Aber meistens würde ich gerne.«
    »Lass uns gehen«, sagte Rita, die hereingesegelt war und sich hinunterbeugte, um jedes Kind auf die Wange zu küssen. »Hört auf Alice. Schlafenszeit ist um neun.«
    »Wirst du wiederkommen?«, fragte Cody.
    »Cody! Natürlich komme ich wieder!«, sagte Rita.
    »Ich meinte Dexter«, sagte Cody.
    »Dann schläfst du schon«, sagte ich. »Aber ich guck noch mal rein, okay?«
    »Ich werde nicht schlafen«, versicherte er entschlossen.
    »Dann bleibe ich und spiel mit dir Karten«, sagte ich.
    »Echt?«
    »Versprochen. Poker. Der Gewinner darf die Pferde behalten.«
    »Dexter«, mahnte Rita, die aber trotzdem lächelte. »Du wirst dann schon schlafen, Cody. Jetzt aber gute Nacht, Kinder. Seid artig.« Und sie nahm mich am Arm und führte mich zur Tür hinaus.
    »Ehrlich«, murmelte sie. »Die beiden fressen dir aus der Hand.«
    Der Film war nichts Besonderes. Ich musste nicht wirklich kotzen, aber als wir uns zu einem Abschlussgetränk in einem kleinen Lokal in South Beach einfanden, hatte ich schon den größten Teil der Handlung vergessen.
    Ritas Idee. Obwohl sie ihr ganzes Leben in Miami verbracht hatte, hielt sie South Beach für glamourös. Vielleicht lag es an den ganzen Rollerblades. Oder vielleicht glaubte sie, jeder Ort, an dem sich so viele Menschen mit schlechten Manieren herumtrieben, müsse glamourös sein.
    Auf jeden Fall warteten wir zwanzig Minuten auf einen kleinen Tisch und, nachdem wir uns gesetzt hatten, noch einmal zwanzig Minuten auf die Bedienung. Mich störte es nicht. Ich genoss es, gut aussehenden jungen Idioten dabei zuzusehen, wie sie einander beobachteten.
    Ein großartiger Zuschauersport.
    Hinterher schlenderten wir den Ocean Boulevard hinunter und plauderten zwanglos – eine Kunst, in der ich mich auszeichne. Es war ein lieblicher Abend. Ein Viertel des Vollmonds, der an jenem Abend geleuchtet hatte, als Vater Donovan mein Gast war, fehlte schon.
    Als wir nach unserem Standardabend zurück zu Ritas Haus in South Miami fuhren, kamen wir durch eine der weniger gesunden Gegenden von Coconut Grove. Ein blinkendes rotes Licht erregte meine Aufmerksamkeit, und ich spähte eine Nebenstraße hinab. Ein Tatort. Das gelbe Band war bereits angebracht worden, und mehrere Fahrzeuge hatte man hastig abgestellt.
    Das war er, dachte ich, und bevor ich auch nur wusste, was ich damit meinte, riss ich den Wagen herum und fuhr auf

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