Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
eine Hand voll Folie hinein, bevor er es tun konnte.
    »Keins von beiden«, sagten wir. »Und schlimmere Dinge können passieren.« Und das würden sie auch, o ja, definitiv, aber das musste er jetzt noch nicht wissen.
    »Die Ausreißerinnen?«, fragten wir höflich-kühl und warteten einen kurzen Moment, beobachteten seine Augen, um uns zu überzeugen, dass er nicht schreien würde, dann entfernten wir den Knebel.
    »O Gott«, stöhnte er heiser. »Mein Ohr …«
    »Du hast noch eins, das muss reichen«, sagten wir. »Erzähl uns von den Mädchen auf den Bildern.«
    »Uns? Wen meinst du mit uns? O Gott, tut das weh«, wimmerte er.
    Einige Leute begreifen es einfach nicht. Ich stopfte das Plastikzeug zurück in seinen Mund und machte mich an die Arbeit.
    Ich konnte mich fast nicht bremsen, angesichts der Umstände kein Wunder. Mein Herz schlug wie wild, und ich hatte Mühe, das Zittern meiner Hand zu unterdrücken. Aber ich machte mich an die Arbeit, forschte, suchte nach etwas, das immer gerade außerhalb meiner Reichweite lag. Aufregend – und schrecklich frustrierend. Der Druck in meinem Inneren nahm zu, stieg bis zu meinen Ohren und schrie nach Erlösung – aber die Erlösung kam nicht. Nur der wachsende Druck und die Ahnung, dass etwas Wundervolles direkt unterhalb meiner Wahrnehmung lag, darauf wartete, dass ich es fand und hineintauchte. Aber ich fand es nicht, und keine meiner bisherigen Standardgeschichten verschaffte mir Entzücken. Was sollte ich tun? In meiner Verwirrung öffnete ich eine Vene, und eine grauenvolle Blutlache sammelte sich auf der Plastikfolie um den Hausmeister.
    Einen Moment lang hörte ich auf, suchte nach einer Antwort, fand nichts. Ich sah weg, durch die leere Fensteröffnung starrte ich vor mich hin, vergaß zu atmen.
    Über dem Wasser sah man den Mond. Aus irgendeinem, mir unerklärlichen Grund erschien das so richtig, so notwendig, dass ich einen Moment nur hinaus über das Wasser blickte, sein so außerordentlich vollkommenes Schimmern betrachtete. Ich schwankte, stieß gegen meinen provisorischen Tisch und kam wieder zu mir. Aber der Mond … oder war es das Wasser? So nahe … ich war so nahe an etwas, dass ich es beinahe riechen konnte – aber woran? Ein Schauer durchfuhr mich – und auch das war richtig, so richtig, dass ihm eine Reihe von Schauern folgten, bis meine Zähne klapperten. Aber warum? Was bedeutete das? Da war etwas, etwas Bedeutendes, eine überwältigende Reinheit und Klarheit, die gerade jenseits der Spitze meines Filetiermessers über dem Mond und dem Wasser schwebte, und ich konnte sie nicht einfangen.
    Ich sah zurück zum Hausmeister. Er machte mich so wütend, wie er da lag, bedeckt von improvisierten Schnitten und unnötigem Blut. Aber wütend zu bleiben war schwierig, während der wundervolle Mond von Florida auf mich herabschien, die tropische Brise wehte, die wundervollen Geräusche reißenden Paketbands und panischen Keuchens erklangen. Beinah hätte ich gelacht. Einige Menschen gehen wegen der ungewöhnlichsten Dinge in den Tod. Dieser entsetzliche kleine Mistkerl starb für Kupferdraht. Und der Anblick seines Gesichts; so schmerzverzerrt, verwirrt und verzweifelt.
    Es hätte komisch sein können, wenn ich nicht so frustriert gewesen wäre.
    Und er verdiente wahrhaftig größere Anstrengungen von meiner Seite, schließlich war es nicht seine Schuld, dass ich mich nicht in meiner üblichen Topform befand.
    Er war nicht einmal gemein genug, um an der Spitze meiner »Zu erledigen« -Liste zu stehen. Er war nur ein Ekel erregender kleiner Schleimer, der Kinder wegen des Geldes und des Kicks umbrachte, und auch nur vier oder fünf, soweit ich wusste. Er tat mir fast Leid. Er war wirklich nicht geeignet für die Oberliga.
    Nun gut. Zurück an die Arbeit. Ich ging zurück zu Jaworski. Er strampelte nicht mehr so wild herum, aber für meine üblichen Methoden steckte trotzdem noch viel zu viel Leben in ihm. Natürlich hatte ich an diesem Abend nicht alle meine hochprofessionellen Instrumente bei mir, und der Verlauf musste Jaworski ein wenig ruppig erscheinen. Aber wie ein echter Soldat hatte er sich nicht beklagt. Ich spürte eine Welle der Zuneigung und korrigierte meinen schludrigen Ansatz, nahm mir für seine Hände ein wenig Qualitätszeit. Er reagierte mit echtem Enthusiasmus, und ich verlor mich in glücklicher Forschungsarbeit.
    Letztendlich waren es seine gedämpften Schreie und sein wildes Strampeln, die mich wieder zu mir brachten. Und mir fiel

Weitere Kostenlose Bücher