Des Todes Dunkler Bruder
jenem anderen Künstler dort draußen bestand, der mich beschattete und mit seinem Werk herausforderte.
Warum musste ich Rita jetzt treffen, wenn ich doch über all das nachdenken musste?
Aber selbstverständlich würde ich hinfahren. Und es würde natürlich gleichzeitig einem guten Zweck dienen, falls ich ein Alibi für mein Abenteuer mit dem kleinen Hausmeister benötigen sollte. »Detective, wie können Sie annehmen, dass ich …? Abgesehen davon habe ich mich zu diesem Zeitpunkt gerade mit meiner Freundin gestritten. Äh – Exfreundin, um genau zu sein.« Weil ich nicht den geringsten Zweifel hegte, dass Rita einfach – wie lautete noch mal der Begriff, den in letzter Zeit alle benutzten? »Sich Luft machen«? Ja, Rita wollte, dass ich sie besuchte, damit sie sich Luft machen konnte. Ich hatte mehrere charakterliche Defizite, die sie mir, begleitet von einem emotionalen Ausbruch, deutlich machen wollte, und meine Anwesenheit war unabdingbar.
Da die Dinge so lagen, nahm ich mir ein wenig Zeit zum Saubermachen. Ich fuhr zurück zum Grove und parkte auf der anderen Seite der über die Fahrrinne führenden Brücke. Ein guter, tiefer Kanal floss darunter her. Ich suchte mir ein paar große Korallensteine aus dem Gebüsch an der Kanalböschung, stopfte sie in meine Einkaufstasche, in der bereits Folie, Handschuhe und Messer lagen, und schleuderte das Ding in die Mitte der Wasserstraße.
Ich hielt einmal mehr bei einem kleinen dunklen Park in der Nähe von Ritas Haus und wusch mich sorgfältig.
Ich musste mich sauber und ordentlich präsentieren; von einer wütenden Frau angeschrien zu werden sollte man als halboffizielle Angelegenheit betrachten.
Aber stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich wenige Minuten später bei ihr klingelte. Sie riss keineswegs die Tür auf und begann mich mit Gegenständen und Schimpfworten zu traktieren. Tatsächlich öffnete sie die Tür sehr langsam und vorsichtig, halb dahinter verborgen, als hätte sie schreckliche Angst vor dem, was sie auf der anderen Seite erwartete. Und angesichts der Tatsache, dass ich dort wartete, verriet das selten gesunden Menschenverstand. »… Dexter …?«, fragte sie, leise, schüchtern. Sie klang, als wäre sie nicht sicher, ob sie lieber ein Ja oder ein Nein hören wollte. »Ich … ich habe nicht geglaubt, dass du kommen würdest.«
»Aber jetzt bin ich hier«, erwiderte ich entgegenkommend.
Es verging ein mehr als angemessener Zeitraum, bevor sie antwortete. Endlich zog sie die Tür ein kleines Stückchen weiter auf und sagte: »Möchtest du … hereinkommen? Bitte …?«
Und wenn schon ihr unsicherer, stockender Tonfall, den ich vorher noch nie bei ihr gehört hatte, eine Überraschung für mich war, dann stellen Sie sich vor, wie mich ihre Aufmachung erstaunte. Ich glaube, man nennt diese Dinger Peignoir, vielleicht war es auch ein Negligé, angesichts der zu vernachlässigenden Menge Stoff, die zu seiner Fertigung genutzt wurde, ein sehr passender Name. Wie auch immer der korrekte Name lautete, jedenfalls trug sie es. Und auch wenn der Gedanke bizarr erschien, ich glaube, sie trug diese Aufmachung für mich.
»Bitte …?«, wiederholte sie.
Es war alles ein bisschen viel. Ich meine, ehrlich; was sollte ich tun? Ich schäumte wegen der unvollendeten Experimente an dem Hausmeister; vom Rücksitz drang noch immer ein unzufriedenes Murmeln nach vorn. Und eine kurze Prüfung der Gesamtsituation ergab, dass ich zwischen zwei Stühlen saß, zwischen Deb und dem Düsteren Künstler, und nun wurde von mir erwartet, eine menschliche Handlung zu vollziehen, wie – nun, was eigentlich? Sie wollte doch sicher nicht – ich meine, sie war doch WÜTEND auf mich, oder? Was ging hier vor? Und was hatte ich damit zu tun?
»Ich habe die Kinder zu den Nachbarn geschickt«, sagte Rita. Sie schob mit der Hüfte die Tür weiter auf.
Ich ging hinein.
Eigentlich bin ich nicht um eine Vielfalt von Möglichkeiten verlegen, zu beschreiben, was als Nächstes geschah, aber keine davon scheint angemessen. Sie ging zum Sofa. Ich folgte ihr. Sie setzte sich. Ich auch. Sie schaute unbehaglich drein und knetete mit der rechten Hand ihre linke. Sie schien auf etwas zu warten, aber da ich nicht genau wusste, worauf, dachte ich wieder über meine unvollendete Arbeit an Jaworski nach. Wenn ich nur ein bisschen mehr Zeit gehabt hätte! Die Dinge, die ich hätte tun können!
Und während ich mir diese Dinge vorstellte, fiel mir plötzlich auf, dass Rita leise zu
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