Des Todes Dunkler Bruder
Schädel und kurz getrimmtem Bart. Mir schien er nicht besonders außergewöhnlich, aber als er sich zwischen die wesentlich größeren Captains stellte, hielten sie augenblicklich den Mund und traten einen Schritt zurück. Mit einigen kurzen Anweisungen hatte er die Angelegenheit geregelt und organisiert, und wir begaben uns rasch zurück an den ordentlichen und wohlgeordneten Schauplatz eines Mehrfach-mordes. Der Mann vom FDLE hatte entschieden, dass die Ermittlungen in die Zuständigkeit von Miami-Dade fielen, es sei denn, die Gewebeproben erwiesen, dass die Leichenteile hier und die Köpfe dort nicht zusammengehörten. Was praktisch und mit sofortiger Wirkung bedeutete, dass Captain Matthews als Erster von dem Reportermob fotografiert wurde, der sich draußen bereits sammelte.
Angel-keine-Verwandtschaft erschien und machte sich an die Arbeit. Ich war mir absolut nicht sicher, was ich von all dem halten sollte, und damit meine ich nicht die Rangeleien um die Zuständigkeit. Nein, das Ereignis selbst beschäftigte mich, es gab mir reichlich zu denken – nicht nur die Tatsache der Morde und die Umverteilung des Fleisches, die schon pikant genug waren. Aber es war mir selbstverständlich gelungen, vor dem Eintreffen der Kavallerie meine Nase in Stebans kleines Kabuff zu stecken – kann man mir daraus wirklich einen Vorwurf machen? Ich hatte das Gemetzel nur anschauen und versuchen wollen zu verstehen, warum mein lieber unbekannter Geschäftspartner es vorgezogen hatte, die Überreste dort zu stapeln; wirklich, nur ein kurzer Blick.
Deshalb hatte ich mich, unmittelbar nachdem Steban wie ein an einer Grapefruit erstickendes Schwein grunzend und quiekend aus der Tür geschliddert war, begierig zu dem Kabuff aufgemacht, um nachzusehen, was ihn so aus der Bahn geworfen hatte.
Diesmal waren die Teile nicht sorgfältig umhüllt. Stattdessen waren sie in vier Gruppen auf dem Boden arrangiert. Und während ich sie näher betrachtete, fiel mir eine wunderbare Sache auf.
Ein Bein lag gerade an der linken Wand der Kammer. Es war bleich, blutleer blauweiß, und ein kleines Goldkettchen mit herzförmigem Anhänger war noch am Knöchel befestigt. Sehr süß, wirklich, nicht verschmutzt, keine ekligen Blutflecken, elegante Arbeit. Zwei dunkle Arme, ebenfalls sauber ausgelöst, waren an den Ellbogen zusammengebunden und mit den Gelenken nach außen entlang des Beins ausgelegt worden. Direkt daneben waren die allesamt an den Gelenken zusammengebundenen restlichen Glieder in zwei großen Kreisen arrangiert worden.
Es dauerte einen Moment. Ich zwinkerte, und plötzlich sah ich es ganz deutlich. Ich konnte mir nur mit Mühe ein lautes Kichern verkneifen, wie das kleine Schulmädchen, das Deborah mich zu sein beschuldigt hatte.
Er hatte die Arme und Beine zu Buchstaben geformt, und die Buchstaben bildeten ein kurzes Wort:
»BOO«.
Die drei Torsi lagen in einem Viertelkreis unter dem BOO wie ein süßes kleines Halloween-Lächeln.
So ein Lausebengel.
Doch selbst als ich noch den verspielten Geist bewunderte, der hinter diesem Streich stand, fragte ich mich, warum er es vorgezogen hatte, das Ganze hier aufzubauen statt auf dem Eis, wo er die Aufmerksamkeit eines weitaus größeren Publikums errungen hätte. Zugegeben, es war ein sehr geräumiges Kabuff, aber trotzdem eng, gerade genug Platz für das Arrangement. Warum also?
Während ich nachdachte, schwang die Außentür der Arena scheppernd auf – zweifellos die eintreffende Rettungsmann-schaft. Und einen Moment später wehte von der weit offen stehenden Tür eine Brise kühler Luft über das Eis und über meinen Rücken – Die kalte Luft wehte über mein Rückgrat und wurde von einem Strom warmer Aufwärtsbewegung denselben Pfad entlang erwidert. Er rann leichthändig hinauf in den unbeleuchteten Keller meines Bewusstseins und etwas verwandelte etwas tief in der mondlosen Nacht meines Echsengehirns, und ich spürte die wilde Zustimmung des Dunklen Passagiers zu etwas, das ich weder hörte noch verstand, außer dass es etwas zu tun hatte mit der primären Dringlichkeit kalter Luft und den umschließenden Wänden und der einsetzenden Wahrnehmung von – Angemessenheit. Keine Frage. Etwas hier war einfach richtig und machte meinen obskuren Anhalter auf eine Art zufrieden und erregt und befriedigt, die ich nicht verstand. Und über all dem lag das seltsame Gefühl von Vertrautheit. Nichts davon ergab irgendeinen Sinn für mich, und trotzdem war es da. Aber bevor ich diese
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