Des Todes Dunkler Bruder
befremdlichen Offenbarungen näher untersuchen konnte, wurde ich von einem jungen Mann in blauer Uniform gedrängt, einen Schritt beiseite zu treten und meine Hände zu zeigen. Er war zweifellos der Erste der eintreffenden Truppen, und er hielt seine Waffe in sehr überzeugender Manier auf mich gerichtet. Da er praktisch nur eine Augenbraue besaß, die quer über seine Stirn lief, die wiederum sehr niedrig war, hielt ich es für eine ausgezeichnete Idee, seinen Wünschen nachzukommen.
Er wirkte genau wie die Sorte dumpfhirniger Brutalos, die Unschuldige abknallen – oder mich. Ich trat aus dem Kabuff.
Unglücklicherweise wurde durch mein Heraustreten das kleine Diorama im Kabuff enthüllt, und der junge Mann hatte es plötzlich sehr eilig mit der Suche nach einem Ort, an dem er sein Frühstück deponieren konnte. Er schaffte es bis zu einer großen Abfalltonne drei Meter weiter, wo er hässlich würgende Geräusche von sich gab. Ich stand reglos und wartete, bis er fertig war.
Eine unschöne Angewohnheit, dieses Herausschleudern halbverdauter Nahrung. So unhygienisch. Und das bei einem Hüter der öffentlichen Ordnung.
Mehr Streifenbeamte trotteten herein und schon bald teilte mein äffischer Freund seine Abfalltonne mit mehreren Kameraden. Die Geräusche waren überaus unerfreulich, ganz zu schweigen von dem Geruch, der in meine Richtung waberte. Aber ich wartete höflich, bis sie fertig waren, denn zu den faszinierendsten Eigenschaften einer Handfeuerwaffe gehört, dass man sie auch abfeuern kann, während man sich erbricht. Doch endlich richtete sich einer der Polizisten auf, wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel und begann mich zu befragen. Ich wurde schnell abgefertigt und mit der Ermahnung zur Seite geschoben, mich nicht zu entfernen und nichts anzufassen.
Captain Matthews und Detective LaGuerta waren bald darauf angekommen, und als sie den Tatort endlich übernahmen, entspannte ich mich ein wenig. Aber jetzt, wo ich doch überall hingehen und alles berühren durfte, setzte ich mich einfach hin und dachte nach. Und die Dinge, über die ich nachdachte, waren erstaunlich lästig.
Warum war mir das Arrangement im Kabuff so bekannt vorgekommen?
Wenn ich nicht zu meiner Idiotie früher am Tag zurückkehren und mich überreden wollte, dass ich es selbst gewesen war, warum schien es auf so köstliche Weise wenig überraschend? Selbstverständlich hatte ich es nicht getan. Ich war bereits tief beschämt wegen der Dummheit dieser Überlegung, BOO, also wirklich. Die Vorstellung war nicht einmal die Zeit wert, die man brauchte, um sie zu denken. Lächerlich. Aber, äh – warum schien es so vertraut? Ich seufzte und machte die Erfahrung eines neuen Gefühls, Verwirrung. Ich hatte einfach keine Ahnung, was sich hier abspielte, außer dass ich irgendwie ein Teil davon war. Das schien mir keine besonders hilfreiche Erleuchtung, auch wenn sie genau zu meinen anderen schlüssig dargelegten, analytischen Schlussfolgerungen passte. Wenn ich die absurde Vorstellung ausschloss, dass ich selbst es getan haben könnte – und ich schloss sie aus –, dann wurde jede anschließende Erklärung immer unwahrscheinlicher. Dexters Zusammenfassung des Falls las sich wie folgt: Er ist irgendwie darin verwickelt, weiß aber nicht einmal, was das bedeutet. Ich konnte spüren, wie die kleinen Räder meines einstmals stolzen Verstands aus ihren Aufhängungen sprangen und zu Boden klirrten. Klirr-Schepper. Juhu. Dexter derangiert.
Glücklicherweise bewahrte mich das Erscheinen der lieben Deborah vor dem totalen Zusammenbruch.
»Komm schon«, sagte sie barsch. »Wir gehen nach oben.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Wir werden mit den Büroangestellten reden«, erwiderte sie. »Herausfinden, ob sie etwas wissen.«
»Sie müssen etwas wissen, wenn sie ein Büro haben«, bemerkte ich.
Sie sah mich einen Moment an und drehte sich dann um.
»Komm schon«, sagte sie.
Es kann an ihrem Befehlston gelegen haben, ich ging mit. Wir gingen vom hinteren Ende der Arena, wo ich gesessen hatte, in die Eingangshalle. Neben den Aufzügen dort stand ein Broward-Cop, und durch die lange Reihe von Glastüren konnte ich draußen an der Barriere noch mehr von ihnen erkennen. Deb marschierte auf den Cop beim Aufzug zu und sagte: »Ich bin Morgan.«
Er nickte und drückte den Aufwärtsknopf. Er sah mich vollkommen ausdruckslos an, was eine Menge verriet.
»Ich bin ebenfalls Morgan«, versicherte ich ihm. Er sah mich einfach nur an, dann wandte er den
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