Des Todes Liebste Beute
nickte knapp. »Ja.«
Donnerstag, 26. Februar, 22.45 Uhr
Er war erleichtert, als Reagans Geländewagen in ihre Auffahrt fuhr. Er beobachtete durch die Häuser, wie Reagan ausstieg, zur Beifahrertür ging und sie öffnete. Reagan war ein Gentleman. Er schätzte das.
Und er war froh, dass sie unbehelligt zu Hause angekommen waren. Er hätte es sich nie verziehen, wenn noch jemand, der ihr wichtig war, zu Schaden gekommen wäre. Er hatte nicht gewollt, dass diese Sache so außer Kontrolle geriet. Seine Absicht war es gewesen, ihr mit dem Wissen, dass er das Böse aus dieser Welt löschte, Trost zu spenden, doch stattdessen war ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Sie war sogar in ihrem eigenen Haus überfallen worden. Er musste einen Weg finden, um der Welt klar zu machen, dass sie nichts wusste, dass sie mit alldem nichts zu tun hatte. Er würde ihr keine Briefe mehr schreiben.
Er zog die Brauen zusammen. Sie hätte längst aussteigen sollen. Es war kalt, und sie würde krank werden. Reagan sollte sie schnellstens ins Haus bringen, aber stattdessen stand er nur da. Da stimmte doch etwas nicht. Doch da stieg sie endlich aus dem Wagen. Reagan legte den Arm um sie und führte sie durch die Küchentür ins Haus. Sie schien unverletzt. Aber er musste es sicher wissen.
Donnerstag, 26. Februar, 22.45 Uhr
Kristen blieb beim Anblick ihrer Küche wie angewurzelt stehen. Die Bilder des Riesenrads waren vorübergehend gelöscht. »Es ist ja alles sauber. Der Staub, der Schutt – alles weg.« Und die Wand auch. Sie und Abe hatten in der Nacht zuvor nicht alles niedergerissen, doch nun war die Mauer fort. Genauso wie der Kühlschrank, die Spüle und das hässliche Linoleum. Das einzige Möbel, das noch stand, war der Tisch, auf dem sich aufgeblätterte Hochglanzmagazine befanden, die traumhafte Küchen zeigten. »Annies Zeitschriften«, sagte sie, und dann verstand sie. »Aidan und Annie waren hier. Hast du gewusst, dass sie das machen wollen?«
Abe grinste. »Wo, denkst du, haben die wohl den Schlüssel her?«
»Wo hast
du
ihn her?«
»Mia hat ihn aus deiner Tasche geklaut, und ich habe einen Nachschlüssel gemacht. Ist die Überraschung gelungen?«
Sie sank auf einen Stuhl nieder und presste sich eine Hand auf den Mund. Tränen quollen aus ihren Augen, als Abe sich neben ihr auf ein Knie herabließ und sie in die Arme zog.
»Sie wollten etwas für dich tun. Es war Aidans Idee.«
»Das ist das Netteste, was je für mich getan worden ist. Oh, Abe.«
Seine Hand streichelte ihren Rücken in großen, beruhigenden Kreisen. »Magst du jetzt reden?«
Sie wischte sich die Augen an seinem Mantel trocken. »Ich glaube ja.«
Er machte sich los, hob ihr Kinn, küsste ihre Lippen, setzte sich auf den Stuhl neben sie und knöpfte seinen Mantel auf. »Ich höre dir zu.«
Es war an der Zeit, sie wusste es. Es war Zeit, die Geschichte zu erzählen, die sie bisher nur ein einziges Mal erzählt hatte. Dieses Mal würde ihr geglaubt werden. Dennoch … Sie hatte es so lange für sich behalten. Viel zu lange. Sie musste endlich darüber sprechen.
»Ich war zwanzig«, begann sie mit einem Seufzen. »Im zweiten Jahr auf der Universität von Kansas. Weil ich ein Jahr in Italien gewesen war, hinkte ich im Stoff hinterher, also belegte ich Sommerkurse, um wieder aufzuholen. Er war in meinem Statistikkurs. Er half mir beim Lernen. Ich hatte Kunst im Hauptfach und nichts für trockenen Stoff übrig. Statistiken lagen mir überhaupt nicht.« Sie lächelte traurig. »Und dann wurde ich ein Bestandteil davon.«
Abes Miene war ruhig, aber seine Augen drückten etwas anderes aus. »Du kanntest ihn also.«
»Das dachte ich, ja. Wir waren ein paar Mal weg gewesen, waren Pizza essen gegangen. Er trank immer Bier, ich nie etwas. Er neckte mich, ich sei prüde, aber ich lächelte immer nur. An einem Abend dann gingen wir zum Jahrmarkt. Es war Sommer. Er wollte ein bisschen spazieren gehen, also verließen wir die Gruppe, mit der wir gekommen waren, und gingen bis hinter die Scheune. Er küsste mich, nicht zum ersten Mal. Aber dann wollte er …« Sie brach ab, ihre Kehle wie zugeschnürt.
»Er wollte Sex«, sagte Abe tonlos.
Sie nickte, erleichtert, dass er es an ihrer Stelle ausgesprochen hatte. »Was das erste Mal war.«
»Das erste Mal, dass er wollte, oder das erste Mal für dich?«
»Beides.«
Er schloss die Augen und schluckte schwer. »Du warst noch Jungfrau.«
»Wahrscheinlich die einzige in meinem Jahrgang. Mein Vater
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