Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
hatten, es gibt immer ein Morgen.«
Eine Pause.
Ich warte, höre ein Plätschern unter mir. Ein Fisch, der aus dem Wasser gesprungen ist.
Dann: »Süße Träume.« Ihre Stimme klingt lebendig und gefühlvoll, im Hintergrund ertönt die Musik, mit der sie ihr Programm beendet.
Ich spüre, wie sich meine Mundwinkel zu einem Grinsen verziehen.
Süße Träume?
Wohl kaum.
Gibt es tatsächlich »immer ein Morgen«?
Ich glaube nicht.
Und genau das werde ich beweisen.
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Kapitel vierundvierzig
D a war er wieder, der Alptraum.
Spät in der Nacht war er zurückgekehrt, war auf leisen Sohlen in Valeries Unterbewusstsein gedrungen, das lauernde, bösartige Ungeheuer, schwarz und mächtig, eine silbergraue, sich windende Schlange in den Händen.
Die gespaltene Zunge der Schlange schnellte vor und wieder zurück, zitterte, während sie prüfend in der Luft verharrte. Ihre starren Reptilienaugen waren fest auf sie gerichtet, die Vertiefung mit dem Nasenloch in ihrem pfeilförmigen Kopf schien zu pochen von dem kalten Blut, das durch ihre Adern strömte.
»Du bist die Nächssssste auf der Lissssste«, zischte die Viper bösartig, ohne Val aus den Augen zu lassen. »Es gibt keinen Ausssssweg.« Und sie kam näher, schlängelte sich durch die klauenartigen Hände ihres Meisters und verharrte in der Luft schwebend so dicht vor Vals Gesicht, dass sie ihren strengen Atem riechen konnte.
Valerie war wie erstarrt, vermochte sich nicht zu bewegen, konnte den ekelhaften Kopf nicht beiseiteschlagen. Die Viper entblößte ihre weißen, gifttriefenden Zähne, als würde sie lächeln.
»Val, nein – pass auf!«, warnte Cammie sie, und Val bemerkte flüchtig etwas Schwarzes, eine vorbeihuschende Gestalt, der ein Schwall eisiger Luft folgte.
Warte! Cammie, warte auf mich!,
wollte sie rufen, doch sie brachte die Worte nicht über die Lippen.
»Zu spät«, krächzte die Kreatur mit der Schlange in der Hand, deren heisere Stimme an die eines alten Weibs erinnerte. »Sie ist fort.«
»Nein!«
»Sie hat nur das bekommen, was sie verdient«, sagte der Dämon. »Und das weißt du.«
»Nein! Cammie! Komm zurück!« Mit wild klopfendem Herzen suchte Val überall nach ihrer Schwester, Cammies schreckliches Schicksal schnitt tief in ihre Seele. »Verlass mich nicht!« Sie weinte jetzt, schluchzte. »Bitte, Cammie, komm zurück! Ich wollte dich nicht wegschicken … Cammie!« Heiße Tränen strömten aus ihren Augen.
»Zu spät. Sssssie ist fort! Tot!« Diesmal war es die Schlange, die gesprochen hatte, das abscheuliche Reptil.
Val versuchte zu schreien. Die Kreatur warf ihren Kopf zurück und lachte, ein schrilles, kreischendes Lachen, das sie an das Geräusch von Kreide auf einer Tafel erinnerte.
Vals Haut kribbelte, und als sie an sich hinabblickte, stellte sie fest, dass sie glänzende, silbrige Schuppen bekommen hatte.
Wieder ertönte das entsetzliche Gelächter, das Untier entblößte seine kleinen, scharfen Zähne, die nicht größer waren als die einer Ratte, aus dem schwarzen Zahnfleisch troff Gift.
»Du bist die Nächssssste auf der Lissssste!«
Mit glitzernden, hungrigen Augen schoss die Schlange vor und biss zu.
Val schrie.
»Valerie! Valerie!« Von weit her ertönte Slades Stimme, als stünde er auf der entgegengesetzten Seite eines langen Tunnels und brüllte aus voller Lunge. »Val! Um Himmels willen, wach auf!«
Sie blinzelte.
Die Dunkelheit war verschwunden, stattdessen nahm sie den sanften Schein der Nachttischlampe wahr. Slade beugte sich über ihr Bett. Er hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt und schüttelte sie, zwang sie, an die Oberfläche ihres Bewusstseins zurückzukehren und den furchtbaren Alptraum zu verdrängen. »O Gott.«
»Alles ist in Ordnung. Es war nur ein Traum«, flüsterte er.
»Nein … dafür war es viel zu real.« Doch schon als sie die Worte aussprach, wurde ihr klar, dass das nicht stimmte. Sie beruhigte sich langsam, die Vernunft gewann die Oberhand über ihre irrationalen Ängste, ihre Muskeln entspannten sich, die Bruchstücke ihres Traums lösten sich in nichts auf.
»Schsch.« Slades Arme schlossen sich um sie, und er ließ sich neben sie aufs Bett gleiten. »Es ist alles gut«, murmelte er in ihr Haar und küsste sie auf den Kopf.
Dankbar für seine Stärke, für seine Ruhe, klammerte sich Val an ihn und weinte. Um die Schwester, die sie schon vor Jahren verloren hatte, um die Frau, zu der Camille geworden war. Um Cammies Kind, das sie nie kennenlernen würde,
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