Désirée
und das neue Wappen eingravieren, Désirée. Du brauchst nicht zu sparen, Liebling, wir sind sehr reich.« In diesem Augenblick verschwand Fernand endgültig. Ich schöpfte tief Atem. »Wir sind reicher, als du ahnst«, begann ich. »Der Kaiser hat uns ein Haus geschenkt.« Jean-Baptiste hob den Kopf. »Du hast eine Menge Grüße für mich, kleines Mädchen. Mein alter Freund Beethoven nennt eine begrabene Hoffnung Eroica. Mein alter Feind, der Kaiser, schenkt mir ein Haus. Welches Haus?«
»Das Haus des Generals Moreau. In der Rue d’Anjou. Er hat es Madame Moreau abgekauft.«
»Ich weiß, für 400 000 Francs. Es ist schon ein paar Monate her, und man hat damals in Offizierskreisen viel darüber gesprochen.« Jean-Baptiste zerteilte langsam eine Orange. Diese Orange war durch ganz Europa gereist. Sie stammte wahrscheinlich aus dem Königreich meinerSchwester. Bildete einen winzigen Bestandteil der Rationen der Großen Armee, die ganz Europa besetzt hält. Ich trank ein Glas Likör. Jean-Baptiste sah plötzlich müde aus. »Moreaus Haus«, murmelte er. »Kamerad Moreau ist in die Verbannung gegangen. Mir dagegen macht der Kaiser große Geschenke.« Er sah auf: »Ich habe heute einen Brief erhalten, in dem mir der Kaiser ankündigt, er werde mir Güter in Polen und Westfalen schenken, die mir ein Jahreseinkommen von weiteren dreihunderttausend Francs garantieren. Moreaus Haus dagegen und deinen Besuch erwähnt er nicht. Es ist nicht so leicht, einem Mann die Freude am Wiedersehen mit seiner Frau zu verbittern. Dem Kaiser der Franzosen jedoch gelingt es.«
»Er sagte, dass er deinen Sturm auf Lübeck sehr bewundert hat«, berichtete ich. Jean-Baptiste schwieg. Steil standen die beiden Falten über der Nasenwurzel. »Ich werde das neue Haus gemütlich einrichten, du musst nach Hause kommen. Das Kind fragt immer nach dir«, sagte ich hilflos. Jean-Baptiste schüttelte den Kopf. »Moreaus Haus wird niemals mein Zuhause sein. Nur ein Quartier, in dem ich dich und Oscar manchmal besuche.« Er starrte ins Feuer und lächelte plötzlich: »Ich werde Moreau schreiben!«
»Du kannst doch nicht mit ihm in Verbindung kommen, wir haben die Kontinentalsperre«, warf ich ein. »Der Kaiser verlangt, dass ich die Hansestädte verwalte. Man kann von Lübeck aus nach Schweden schreiben. Und Schweden bemüht sich, neutral zu bleiben. Von Schweden aus werden Briefe nach England und Amerika befördert. Und in Schweden habe ich Freunde.« Eine Erinnerung wurde wach, halb vergessen und plötzlich sehr nahe. Stockholm gleich beim Nordpol, der Himmel wie eine weiße Bettdecke… »Was weißt du von Schweden?«, fragte ich. Jean-Baptiste erwachte aus seiner Starrheit und wurde sogar ganz lebhaft. »Als ich Lübeck einnahm, fand ich inder Stadt auch schwedische Truppen vor. Und zwar eine schwedische Dragonereskadron.« »Sind wir denn auch mit Schweden im Krieg?« »Mit wem sind wir nicht im Krieg? Das heißt, seit Tilsit herrscht wieder so genannter Frieden. Aber damals hatten sich die Schweden unseren Feinden angeschlossen. Ihr junger, verrückter König bildete sich ein, von Gott dazu ausersehen zu sein, Napoleon zu vernichten. Anscheinend religiöser Wahnsinn.« »Wie heißt er?« »Gustaf. Der Vierte, glaube ich. In Schweden heißen alle Könige Carl oder Gustaf. Sein Vater, der dritte Gustaf, hatte so viele Feinde, dass er auf einem Maskenball von seinen eigenen Adligen ermordet wurde.« »Du, das ist entsetzlich! So barbarisch – auf einem Maskenball …« »In unserer Jugend besorgte man das mit der Guillotine«, meinte Jean-Baptiste ironisch. »Findest du das weniger barbarisch? Es ist schwer genug, zu urteilen, aber noch schwerer, zu verurteilen.« Er sah wieder ins Feuer; sprunghaft kehrte die gute Laune zurück: »Der Sohn dieses ermordeten Gustaf – ein anderer Gustaf, wie gesagt, der Vierte – schickte also seine Dragoner in den Krieg gegen Frankreich, und so kam es, dass ich eine schwedische Eskadron in Lübeck gefangen nahm. Nun interessiert mich Schweden aus einem ganz bestimmten Grund, und da ich endlich eine Gelegenheit hatte, Schweden kennen zu lernen, ließ ich die gefangenen Offiziere zum Souper zu mir bitten. Auf diese Weise lernte ich die Herren Mörner –«, er stockte. »Warte, ich habe die Namen doch irgendwo aufgeschrieben!« Er stand auf, ging zum Schreibtisch. »Es ist doch gleichgültig –«, sagte ich. »Erzähl weiter!« »Nein, es ist nicht gleichgültig, ich will mir die Namen merken.« Er kramte in
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