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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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einem Schubfach, fand ein Stück Papier und kehrte zu mir zurück. »Es waren die Herren Graf Mörner, Flach, de la Grange und die Barone Leijonhjelm, Banér und Friesendorff.«
    »Die Namen kann kein Mensch aussprechen«, konstatierte ich nur. »Diese Offiziere erklärten mir die Situation. Ihr Gustaf hat sich gegen den Willen seines Volkes in diesen Krieg mit uns eingelassen. Übrigens bildete er sich damals ein, auf diese Weise den Zaren für sich zu gewinnen. Die Schweden haben nämlich immer Angst, dass ihnen Russland Finnland wegnehmen könnte.«
    »Finnland? Wo liegt Finnland?«, fragte ich kopfschüttelnd. »Komm her, ich zeige dir das Ganze auf der Karte«, sagte Jean-Baptiste, und ich musste mich vor die große Landkarte stellen. Er hielt den Leuchter hoch. »Da hast du Dänemark. Durch Jütland mit dem Festland verbunden. Kann sich aus geographischen Gründen gar nicht gegen den Kontinent verteidigen und hat mit dem Kaiser einen Freundschaftspakt abgeschlossen. Das verstehst du, nicht wahr?« Ich nickte. »Da hast du eine Meerenge: den Öresund. Hier beginnt Schweden. Schweden will sich dem Kaiser nicht anschließen. Bis jetzt konnte Schweden auf die Hilfe des Zaren rechnen. Aber jetzt ist es zu spät. Durch den Frieden von Tilsit hat sich der Zar mit Napoleon verbündet. Und Napoleon lässt dem Zaren freie Hand in den Ostseestaaten. Was glaubst du, was diesem Gustaf daraufhin einfällt?« Ich hatte natürlich keine Ahnung. »Dieser Irrsinnige führt jetzt auch gegen Russland Krieg. Es geht nämlich um Finnland. Schau auf die Karte: Da hast du Finnland! Es gehört zu Schweden.«
    »Wie sollen die Schweden jemals Finnland halten, wenn der Zar das Land besetzen will?«, fragte ich und schaute mir die Landkarte an. »Siehst du, sogar ein dummes kleines Mädchen wie du stellt diese Frage! Natürlich können sie Finnland nicht halten. Verbluten werden sich die Finnen und mit ihnen die Schweden in diesem Kampf. Finnland müsste natürlich an Russland abgetreten werden, dafür –« Jean-Baptiste klopfte auf die Karte: »Dafür könnteSchweden versuchen, eine Vereinigung mit Norwegen zustande zu bringen. Das müsste sich verhältnismäßig leicht durchführen lassen …«
    »Wer regiert in Norwegen?«
    »Der König von Dänemark. Aber die Norweger können ihn nicht leiden. Diese Norweger dürften ein eigentümliches Volk sein. Ohne Adel, ohne Hof. Der dänische König ist gleichzeitig auch König von Norwegen, und die Norweger sind jetzt unzufriedener denn je, weil sie dadurch zu den Verbündeten Napoleons gerechnet werden. Wenn ich den Schweden raten sollte, würde ich vorschlagen, Finnland an Russland abzutreten und dafür eine Union mit Norwegen anzustreben. Dann käme es wenigstens zu einem aus geographischen Gründen vernünftigen Staatenbund.«
    »Hast du das den schwedischen Offizieren in Lübeck erklärt?« »Sehr deutlich sogar. Zuerst wollten sie überhaupt nichts von der Möglichkeit, Finnland aufzugeben, hören. Keiner der Gründe, die sie dagegen anführten, erschien mir stichhaltig. Schließlich habe ich gesagt: ›Meine Herren, ich bin objektiv. Ein Franzose, der sich die Landkarte anschaut, ein Marschall, der etwas von Strategie versteht, erklärt Ihnen, dass Russland dieses Finnland braucht, um seine Grenzen zu sichern. Wenn Ihnen wirklich etwas am finnischen Volk liegt, dann treten Sie lieber für ein unabhängiges Finnland ein. Aber bis jetzt habe ich den Eindruck gewonnen, dass es Ihnen gar nicht so sehr um die Finnen zu tun ist, als um die Schweden, die in Finnland leben. Wie dem auch sei, so müssen Sie sich klar darüber sein, dass der Zar seine Grenzen sichern will und dass Ihr Land verbluten wird, wenn es in der finnischen Frage nicht nachgibt. Was jedoch Ihren zweiten Feind, den Kaiser von Frankreich betrifft, so kann ich Ihnen mitteilen, dass wir sehr bald französische Truppen nachDänemark senden werden. Ob sich Schweden gegen unsere Truppen verteidigen kann oder nicht, hängt von Ihnen selbst ab. Norwegen dagegen kann nur über Schweden von Napoleon eingenommen werden. Retten Sie Ihr Land durch bewaffnete Neutralität. Und wenn Sie durchaus einen Staatenbund brauchen, so halten Sie sich an Norwegen, meine Herren!‹«
    »Das hast du sehr schön gesagt, Jean-Baptiste. Was haben die Schweden geantwortet?« »Angestarrt haben sie mich, als ob ich das Schießpulver erfunden hätte. ›Schauen Sie nicht mich, sondern lieber die Landkarte an‹, habe ich ihnen gesagt.« Jean-Baptiste

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