Désirée
machte eine Pause. »Und am nächsten Morgen habe ich sie nach Hause geschickt.« Er lächelte: Jetzt habe ich Freunde in Schweden.« »Wozu brauchst du Freunde in Schweden?« »Freunde kann man immer und überall brauchen. Aber die Schweden müssen endlich aufhören, gegen Russland und Frankreich zugleich Krieg zu führen, sonst muss ich ihr Land besetzen. Wir erwarten nämlich, dass die Engländer Dänemark angreifen werden, um von dort aus gegen uns zu ziehen. Deshalb will Napoleon französische Truppen in Dänemark stationieren. Da ich die Hansestädte verwalten soll, wird mir der Kaiser auch den Oberbefehl über unsere Truppen in Dänemark geben. Und wenn der schwedische Gustaf sich weiter als Werkzeug Gottes betrachtet, das Napoleon vernichten soll, so wird es dem Kaiser eines Tages zu dumm werden. Dann wird er Befehl geben, Schweden zu erobern und zu besetzen. Worauf ich ganz einfach von Dänemark aus diese schmale Meerenge, den Öresund, überqueren und in Schonen, dem südlichsten Teil von Schweden, landen werde. Komm, schau dir noch einmal die Karte an!« Wieder musste ich mich vor der Karte aufstellen. Aber ich sah nicht hin. Ich war tage- und nächtelang gereist, um meinen Mann zu pflegen, und anstatt ihnzu pflegen, musste ich mir Geographievorträge anhören. »Schonen können die Schweden nicht verteidigen. Strategisch unmöglich. Ich nehme an, sie würden hier –«, er klopfte mit dem Zeigefinger auf die Karte, »– eine Schlacht liefern und versuchen, sich zu halten.« »Sag einmal, hast du diesen schwedischen Offizieren gesagt, dass du möglicherweise ihr Land erobern willst? Und dass sie – wie heißt das – Schone oder Skone? – nicht halten können, aber weiter nördlich versuchen müssen, sich zu verteidigen?« »Ja. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verblüfft sie waren, als ich ihnen das sagte. Besonders der eine, dieser Mörner mit dem runden Gesicht und den langen Locken, wurde ganz aufgeregt. ›Sie verraten uns Ihre geheimen Pläne, Monseigneur‹, rief er immerzu – ›wie können Sie uns nur in Ihre Pläne einweihen?‹ Weißt du, was ich geantwortet habe?«
»Nein«, sagte ich und bewegte mich langsam auf das schmale Feldbett zu. Ich war so müde, dass ich die Augen kaum noch offen halten konnte. »Was hast du geantwortet, Jean-Baptiste?« »›Meine Herren, ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Schweden halten kann, wenn es ein französischer Marschall angreift.‹ Das habe ich geantwortet. Kleines Mädchen, schläfst du?«
»Beinahe –«, murmelte ich und versuchte, es mir auf dem elenden Feldbett bequem zu machen. »Komm, ich habe doch ein Schlafzimmer für dich vorbereiten lassen. Ich nehme an, dass alle schon schlafen gegangen sind. Ich werde dich hinübertragen, und niemand wird es sehen«, flüsterte Jean-Baptiste. »Ich will aber nicht mehr aufstehen, ich bin so müde –« Jean-Baptiste beugte sich über mich. »Wenn du hier schlafen willst, so kann ich mich ja wieder an den Schreibtisch setzen. Ich habe noch viel zu lesen.«
»N-nein, du bist verwundet, du musst dich niederlegen –« Unentschlossen setzte sich Jean-Baptiste auf dieKante des Bettes. »Du musst mir die Schuhe ausziehen und das Kleid – ich bin so müde –«, sagte ich. »Ich glaube, die schwedischen Offiziere werden mit den Ministern sprechen und keine Ruhe geben, bis ihr König zum Rücktritt gezwungen wird! Dann kommt sein Onkel an die Regierung.«
»Ein Gustaf –«
»Nein, ein Carl. Es wäre Carl Nummer dreizehn. Dieser Onkel ist leider kinderlos. Übrigens wird behauptet, dass er ziemlich senil ist. Warum hast du eigentlich drei Unterröcke an, Liebling?« »Weil es auf der Reise immerfort geregnet hat. Mir war so kalt. Der arme Mörner. Senil und kinderlos …«
»Nein, nicht Mörner. Der dreizehnte Carl von Schweden.«
»Wenn ich mich ganz schmal mache und zur Seite rücke, dann haben wir in deinem Feldbett Platz. Wir könnten es versuchen …«
»Ja, wir könnten es versuchen, kleines Mädchen.« Irgendwann in der Nacht wachte ich auf. Ich lag auf Jean-Baptistes Arm. »Liegst du schlecht, kleines Mädchen?« – »Ich liege herrlich. Warum schläfst du nicht, Jean-Baptiste?«
»Ich bin nicht müde. Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf. Aber du musst schlafen, Liebling.«
»Stockholm liegt am Mälar. Und auf dem Mälar treiben grüne Eisschollen«, murmelte ich. »Woher weißt du das?«
»Das weiß ich eben. Ich kenne einen Mann, der Persson heißt. Du musst mich fester
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