Désirée
seinem Schlafzimmer traten, war Fernand verschwunden. »Fernand weiß, dass ich alle Gespenster vertreibe«, sagte ich stolz. Im Arbeitskabinett machten wir schweigend halt. »Kamerad Moreau«, murmelte Jean-Baptiste nachdenklich. Ich fuhr mit dem Zeigefinger zärtlich über die Marmorwangen. Wie schlecht in Königsschlössern Staub gewischt wird, konstatierte ich. Dann wanderten wir eng umschlungen weiter. »Ich bin froh, dass ich dir nachgegeben und Oscar erlaubt habe, Josefina zu heiraten«, meinte Jean-Baptiste unvermittelt. »Wenn es nach deinem Wunsch gegangen wäre, hätte er eine hässliche Königstochter zur Frau bekommen und sich mit der alten Koskull als romantische Jugendliebe begnügt – du Rabenvater!« »Immerhin – die Enkelin unserer Josephine auf dem schwedischen Thron …« Jean-Baptiste sah mich vorwurfsvoll an. »War sie vielleicht nicht bezaubernd – unsere Josephine?«
»Viel zu bezaubernd. Ich hoffe nur, dass man hier in Skandinavien keine Einzelheiten weiß.« Dann waren wir in meinem Boudoir angelangt und betrachteten staunend die große Überraschung … Auf dem Frühstückstisch für zwei duftete ein großer Rosenstrauß. Rote, weiße, gelbe und rosa Rosen. An der Vase lehnte ein Stück Papier. »Ihren Majestäten, unserem Herrn MarschallJ. B. Bernadotte und Gemahlin die besten Glückwünsche – Marie und Fernand.« Jean-Baptiste begann zu lachen, und ich musste weinen. Wir sind sehr verschieden veranlagt und trotzdem –
Ja – und trotzdem!
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Königliches Schloss in Stockholm.
Februar 1829.
D ie alte Prinzessin Sofia Albertina kann einem wirklich Leid tun. Schließlich ist sie aus so feiner Familie – die letzte Vasa in Schweden. Und jetzt liegt sie im Sterben, und eine Seidenhändlerstochter hält ihre Hand. Soeben habe ich in diesem Buch zurückgeblättert. Ich sehe, dass ich sie seinerzeit die alte Ziege nannte. Sie gehörte zu jenen, die mich einst ausgelacht haben. Wie kindisch, dass mich ihr Gemecker damals so gekränkt hat … Seit dem Tode ihres Bruders wohnt die alte Prinzessin im so genannten Erbprinzenpalais auf dem Gustaf-Adolfs-Markt. Jean-Baptiste hat stets dafür gesorgt, dass sie von Zeit zu Zeit zur Hoftafel gebeten wird. Aber in Wirklichkeit kümmert sich nur Oscar um sie, er nennt sie Tante und behauptet, sie hätte ihm in seiner Knabenzeit süße Hustenbonbons zugesteckt. Gestern erwähnte er, dass sie sehr leidend und schwach sei. Und heute Vormittag schickte sie plötzlich eine ihrer greisenhaften Hofdamen zu mir: Es sei der letzte Wunsch ihrer Hoheit, der Prinzessin Sofia Albertina, mit mir – mit mir! – unter vier Augen zu sprechen. Die Arme, dachte ich auf dem Wege zu ihr, jetzt ist die letzte Vasa auch noch kuckuck geworden … Die alte Prinzessin hatte mir zu Ehren große Toilette gemacht. Sie lag auf einem Sofa, und als ich eintrat, versuchte sie aufzustehen. »Um Himmels willen, Hoheit, bemühen Sie sich nicht!«, rief ich und erschrak sehr über ihr Aussehen. Sie sah mehr denn je wie eine Ziege aus, ihre Haut lag ganz gespannt über den eingefallenen Wangen und war durchsichtig und zerknittert wie Seidenpapier. Der matte Blick kam aus tiefen Höhlen. Aber das schüttere weiße Haar war mit rosa Jungmädchenschleifen geschmückt. Ihr Salon war mitStickereien überfüllt – rosa Rosen auf violettem Grund, auf Kissen, Stühlen und auf dem Glockenzug. Mein Gott, die Arme hat ihr ganzes Leben lang nur Rosen gestickt und immer dasselbe Muster! Das alte Gesicht verzog sich zu einem angestrengten Lächeln. Ich setzte mich zu ihr, und sie schickte ihre Damen hinaus. »Ich bin Eurer Majestät für den Besuch sehr dankbar. Man sagt mir, dass Majestät sehr beschäftigt sind.«
»Ja, wir haben schrecklich viel zu tun. Jean-Baptiste mit den Staatsgeschäften und Oscar mit seinen neuen Pflichten. Oscar ist jetzt Admiral der schwedischen Flotte, Hoheit.« Sie nickte. »Darüber bin ich genau informiert. Oscar besucht mich oft.« »Hat er Ihnen auch von seinen Reformplänen erzählt? Oscar arbeitet nämlich an einem Buch über die Gefängnisse, er will das Gefängniswesen verbessern und eine neue Form von Strafanstalten einführen«, sagte ich eifrig. Sie blickte mich erstaunt an. Nein, davon hatte Oscar nicht gesprochen. »Eine sonderbare Beschäftigung für einen Admiral«, bemerkte sie spitz. »Und für einen Komponisten«, fügte ich hinzu. Sie nickte gelangweilt. Irgendwo tickte eine Uhr … »Majestät besuchen viele Spitäler«, begann sie
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