Désirée
lässt Fernand mit einer Pistole vor deinem Zimmer schlafen. Wie heißen die Gespenster, vor denen du Angst hast?«
»Vasa«, kam es und klang wie Stöhnen. »Auf dem Wiener Kongress hat der letzte Vasakönig – der Verbannte,weißt du – für sich und seinen Sohn Thronansprüche geltend gemacht.« »Das ist acht Jahre her. Übrigens haben ihn die Schweden doch abgesetzt, weil er kuckuck war. Ist er wirklich verrückt?«
»Das weiß ich nicht. Seine Politik war es. Schweden hat vor dem Ruin gestanden … Die Verbündeten haben natürlich seine Ansprüche abgewiesen. Schließlich sind sie mir zum Dank verpflichtet, ich habe doch damals diesen grauenhaften Feldzug –« »Lass das, Jean-Baptiste, quäle dich nicht mit diesen Erinnerungen«, sagte ich schnell. Ein Zittern lief durch seinen Körper, ich spürte es mit meinem ganzen Ich. »Jean-Baptiste, die Schweden wissen genau, was du für sie getan hast. Gibt es nicht irgendwelche Zahlen, die dir beweisen, dass Schweden durch dich wieder zu einem gesunden, reichen Land geworden ist?«
»Ja, ja – ich habe Zahlen«, murmelte er. »Aber die Opposition im Reichstag –«
»Spricht sie von den Vasa?«
»Nein, nie. Aber es genügt, dass diese Opposition, die sich liberal nennt, besteht. Dass ihre Zeitungen immer wieder versteckt darauf anspielen, dass ich hier nicht geboren bin.« Ich richtete mich auf. »Jean-Baptiste, wenn dir jemand vorwirft, dass du nicht hier geboren bist und nicht die Sprache verstehst, so ist das doch noch lange keine Majestätsbeleidigung. Es ist einfach die Wahrheit.«
»Von Opposition zur Revolution ist nur ein Schritt«, beharrte er eigensinnig. »Unsinn! Die Schweden wissen genau, was sie wollen – du bist zum König ausgerufen und gekrönt worden.« »Und ich kann ermordet oder abgesetzt werden, um dem letzten Vasa Platz zu machen. Er dient als Offizier in der österreichischen Armee.« Da beschloss ich, das Gespenst der Vasa endgültig zu vertreiben. Ich muss ihm wehtun und ihn erschrecken, dachte ich traurig. Aber er wird von nun an ruhig schlafen können. »Jean-Baptiste,in Schweden regiert die Dynastie Bernadotte, und du bist der Einzige, der nicht felsenfest davon überzeugt zu sein scheint.« Er zuckte nur die Achseln. »Aber leider gibt es Leute, die behaupten, dass du in deiner Angst vor der Opposition die Konstitution nicht einhältst.« Ich wandte das Gesicht ab. »Den Schweden liegt sehr viel an ihrer Pressefreiheit, Liebster. Und jedes Mal, wenn du eine Zeitung verbietest, gibt es diesen oder jenen, der sich vorstellen könnte, dich zur Abdankung zu zwingen.« Wie unter einem Schlag zuckte er zusammen. »Ja? Da siehst du, dass ich mich nicht vor Schatten fürchte! Meine Gespenster sind sehr wirklich. Der Prinz von Vasa –«
»Jean-Baptiste, niemand spricht vom Prinzen von Vasa!«
»Sondern? Wen wünschen sich die Herren Liberalen als meinen Nachfolger?«
»Oscar natürlich. Den Kronprinzen …«
Ein tiefes Aufatmen. »Ist das wahr?«, flüsterte er. »Schau mir in die Augen! – Ist das wirklich wahr?«
»Mit der Dynastie Bernadotte ist niemand unzufrieden. Sie besteht, Jean-Baptiste – sie besteht! Du musst Fernand sagen, dass er von nun an in seinem Zimmer zu schlafen hat. Und nicht mit einem Schießgewehr unter dem Polster vor deiner Tür. Wie komme ich dazu, mir Fernand im Nachthemd ansehen zu müssen, wenn ich dich zu später Stunde besuchen will?« Goldepauletten zerkratzten meine Wange, die Kerzen waren niedergebrannt. »Kleines Mädchen, du darfst mich gar nicht zu später Stunde besuchen, Königinnen schleichen nicht im Schlafrock in ihren Schlössern herum. Du solltest, erfüllt von echter weiblicher Scheu, in deinen Gemächern warten, bis ich zu dir komme!« Später – viel später – verließ Jean-Baptiste die Lehne unseres Fauteuils und zog die Vorhänge von den Fenstern. Kein Zwielicht mehr. Der Park von Drottningholm badete in goldener Helle. Ich trat nebenJean-Baptiste. »Was Oscar betrifft –«, begann er und brach ab. Ganz leise liebkoste sein Mund mein Haar.
»Ich habe Oscar gegeben, was mir fehlt – die Erziehung. Die Erziehung zum Herrscher. Manchmal bedauere ich, dass ich ihn nicht als König sehen werde.«
»Es liegt in der Natur der Sache, du wirst es nicht erleben«, sagte ich eindringlich. Er lachte. »Nein, ich habe keine Angst vor unserem Lausbuben!« Ich nahm seinen Arm. »Komm mit mir – wir werden zusammen frühstücken, wie damals vor fünfundzwanzig Jahren.« Als wir aus
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