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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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nebeneinander und winkten. Josefina trug ein jubelblaues Kleid und eine Hermelinstola, die schon ein klein wenig gelb war. Die Stola hat einst Josephine gehört, und Napoleon hat sie bezahlt. Hortense schenkte sie dem Kind vor vielen Jahren zur Erinnerung an ihre schöne Großmama. »Der Hafen von Djurgarden, Majestät, wir werden gleich anlegen«, meldete Löwenhjelm. Ich wandte mich um. »Marie, jetzt soll Pierre das Holzbein anschnallen!« Meine Hände verkrampften sich ineinander. Ich spürte sie feucht werden. »Tante – sie haben einen Triumphbogen aus Birkenzweigen errichtet«, rief Marceline. Die Kanonen brüllten vor Freude. Yvette tauchte auf und hielt mir einen Spiegel vor das Gesicht. Puder, Rouge, etwas Gold auf die Augenlider. Marie legte die schwere Nerzstola über meine Schultern. Silbergrauer Samt und Nerz dürften das Richtige für eine Schwiegermutter sein. Maries harte Hand berührte schnell meine verkrampften Finger. Ihr Gesicht ist alt und runzlig geworden. »Wir sind am Ziel, Eugénie.« »Nein, Marie, erst am Anfang.« Die Kanonen verstummten. Und Musik schmetterte auf, Fanfaren jubelten. »Das habe ich für dich komponiert«, sagte Oscar. Er sagte es zur Sternschnuppe. Löwenhjelm reichte mir wieder den Feldstecher. Ein violetter Samtmantel. Weiße Federn auf dem Hut. Plötzlich wichen alle zurück. Sogar Oscar und die Sternschnuppe. Ganz allein stand ich vor der Schiffsbrücke. Die schwedische Hymne brauste auf. Die Tausende auf dem Kai verwandelten sich in Statuen. Nur die zarten Birkenzweige des Triumphbogens zitterten leise. Dann stürzten diebeiden Herren, die dicht neben dem violetten Samtmantel gewartet hatten, gleichzeitig auf die Schiffsbrücke zu, um mich an Land zu geleiten. Graf Brahe lächelte, und von Rosen war ganz blass vor Aufregung. Aber eine Hand im weißen Handschuh stieß beide zurück, der violette Samtmantel schob sich vor, die schmale Schiffsbrücke schwankte, und mein Arm spürte einen harten, sehr vertrauten Griff. Die Menge schrie, die Kanonen donnerten, das Orchester schmetterte. Oscar führte seine Kronprinzessin an Land. Unter dem Triumphbogen wurde ein kleines Mädchen im weißen Kleid vor mich hingeschoben. Das Kind verschwand beinahe hinter einem Riesenstrauß aus blauen Lilien und gelben Tulpen und musste ein Gedicht aufsagen. Dann stieß es mir erleichtert den blaugelben Strauß zu. Sie hatten nicht erwartet, dass ich danken würde. Aber als ich den Mund öffnete, wurde es totenstill. Ich war steif vor Angst, aber meine Stimme war laut und ruhig. Ich begann mit den Worten: »Jag har varit länge borte –« Ich spürte, wie sie den Atem hielten. Schwedisch – die Königin spricht Schwedisch. Ich hatte mir die kleine Ansprache selbst zusammengestellt und von Graf Löwenhjelm übersetzen lassen. Dann hatte ich sie auswendig gelernt. Wort für Wort – es war schrecklich schwer. Ich bekam feuchte Augen und schloss mit: »Länge leve Sverige!« Wir fuhren in einem offenen Galawagen durch die Straßen. Die Sternschnuppe neben mir nickte hoheitsvoll nach beiden Seiten. Jean-Baptiste und Oscar saßen uns gegenüber. Ich hielt mich sehr aufrecht und lächelte den Menschenmassen zu, bis mir die Mundmuskeln wehtaten. Aber auch dann lächelte ich noch. »Ich kann gar nicht fassen, dass du wirklich eine schwedische Ansprache gehalten hast, Mama«, sagte Oscar. »Ich bin unbeschreiblich stolz auf dich!« Ich spürte, dass Jean-Baptiste mich ansah. Und ich traute mich nicht, seinen Blick zu erwidern. Weilwir im offenen Galawagen saßen und ich eine fürchterliche Entdeckung gemacht hatte. Ich bin noch immer in ihn verliebt. Oder schon wieder – ich kenne mich ja nicht mehr in mir aus.
    PS. Dabei ist er Großvater. (Aber das ahnt er nicht.)

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    Schloss Drottningholm in Schweden.
16. August 1823.
    H eute um Mitternacht war ich zum ersten Mal ein Gespenst. In meinem hellen Schlafrock spukte ich als »die weiße Dame« durchs Schloss. Schuld daran sind die hellen Sommernächte, in denen es keinen Augenblick richtig dunkel wird. Während meines ersten Besuches in Drottningholm habe ich sie durchweint. Und jetzt – zwölf Jahre später – muss ich sie durchtanzen. Oscar und die Sternschnuppe wirbeln nämlich von einem Fest zum anderen. Und ich zwinge Jean-Baptiste dazu, mitzumachen. Am Anfang versuchte er, sich mit hundert Ausreden zu drücken – Arbeit und wieder Arbeit natürlich. Sogar sein Alter hielt er mir vor. Jean-Baptiste ist sechzig Jahre und kerngesund.

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