Désirée
viel von Eugénie erzählt …« »Aber Julie sagte mir, dass Mademoiselle Eugénie es vorzieht, Désirée genannt zu werden.« Mit diesen Worten trat die schmale weiße Gestalt neben Napoleon. Nichts in ihrem Mona-Lisa-Lächeln verriet, dass sie mich erkannte. »Es ist sehr liebenswürdig, dass Sie gekommen sind, Mademoiselle.«
»Ich habe mit Ihnen zu sprechen, General«, sagte ich schnell. Sein Lächeln fror ein. Eine Szene, dachte er wahrscheinlich, mein Gott – eine sentimentale kindische Szene. »Es handelt sich um etwas sehr Ernstes«, fügte ich hinzu. Schnell schob Josephine ihren Arm in den seinen. »Wir können zu Tisch gehen«, sagte sie hastig und wiederholte:»Bitte – zu Tisch!« Beim Essen saß ich eingeklemmt zwischen dem langweiligen Leclerc und dem schüchternen Eugène de Beauharnais. Napoleon redete ununterbrochen und wandte sich dabei hauptsächlich an Joseph und Leclerc. Wir waren bereits mit der Suppe fertig, da hatte er noch nicht einmal begonnen, den Löffel zum Mund zu führen. Seinerzeit in Marseille kam nur ab und zu diese Lust des Redens über ihn, und seine Sätze kamen dann stoßweise, unterstützt von dramatischen Gesten. Jetzt sprach er sehr flüssig, sehr sicher und schien auf Einwände und Antworten überhaupt nicht neugierig zu sein. Als er begann, von »unseren Erzfeinden, den Engländern« zu reden, stieß Polette ein stöhnendes »O Gott, fängt er schon wieder damit an …!« aus. Wir erfuhren in allen Einzelheiten, warum er die Invasion der britischen Insel nicht durchführen wollte. Er hatte sich die Küste rund um Dünkirchen genau angesehen. Auch daran gedacht, flache Invasionsbarken bauen zu lassen, die in kleinen Fischerhäfen in England landen konnten, da die großen Häfen, in denen Kriegsschiffe einlaufen können, zu stark befestigt sind.
»Wir sind schon alle mit der Suppe fertig, fangen Sie doch endlich an, Bonaparte!« Josephines sanfte Stimme wurde überhört. Sie sagt also »Sie« und »Bonaparte« dachte ich, wahrscheinlich ist das in ehemaligen Adelskreisen so üblich, den Vicomte de Beauharnais hat sie bestimmt auch mit »Sie« angesprochen.
»Aber von der Luft aus!«, rief jetzt Napoleon, neigte sich vor und starrte den gegenübersitzenden Leclerc an. »Stellen Sie sich vor, General Leclerc – ein Bataillon nach dem anderen auf dem Luftweg über den Kanal befördern und die Truppen an strategischen Punkten in England landen lassen! Truppen, die mit ganz leichter Artillerie versehen sind.« Leclercs Mund klappte zur Widerrede auf und schloss sich sofort wieder. »Trink nicht so viel, und trinknicht so rasch, mein Junge!«, grollte die tiefe Stimme von Madame Letitia durch den Raum. Napoleon setzte das erhobene Weinglas sofort nieder und begann hastig zu essen. Ein paar Sekunden herrschte Schweigen, nur durch das unmotivierte Kichern des Backfisches Caroline unterbrochen. »Es ist schade, dass Ihren Grenadieren keine Flügel wachsen können«, ließ sich Bacciochi vernehmen, dem das Schweigen ungemütlich erschien. Napoleon sah sofort auf und wandte sich an Joseph: »Vielleicht werde ich später einmal einen Angriff auf dem Luftwege durchführen können. Einige Erfinder waren bei mir und haben mir ihre Pläne gezeigt. Riesige Ballons, die drei bis vier Menschen tragen können. Halten sich stundenlang in der Luft, diese Ballons. Sehr interessant, phantastische Möglichkeit …« Er war endlich mit der Suppe fertig. Josephine läutete.
Während wir Huhn mit Spargelsauce aßen, erklärte Napoleon den Mädchen Caroline und Hortense, was Pyramiden sind. Dann bekamen wir anderen zu hören, dass er von Ägypten aus nicht nur Englands Kolonialmacht zerstören, sondern gleichzeitig auch die Ägypter selbst befreien werde. »Mein erster Tagesbefehl an meine Truppen –« Bums!, sein Stuhl fiel um, er war aufgesprungen und hinausgelaufen, um sofort wieder mit einem dicht beschriebenen Bogen zurückzukommen. »Da – das müsst ihr hören: Soldaten – vierzig Jahrhunderte blicken auf euch herab!« Er unterbrach sich: »So alt sind nämlich die Pyramiden, ich werde diesen Tagesbefehl im Schatten der Pyramiden erlassen … Hört weiter! Also: Das Volk, in dessen Mitte wir uns befinden, ist mohammedanisch. Sein Glaubensbekenntnis lautet: Gott ist Gott, und Mahomet ist sein Prophet –«
»Die Mohammedaner nennen den lieben Gott Allah«, warf Elisa ein, die in Paris begonnen hatte, eine Menge Bücher zu lesen und ständig mit ihrer Bildung prahlte.Napoleon runzelte
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