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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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die Seite: »Ihr neuester Freund! Armeelieferant Ouvrard … Bis vor kurzem hat sie noch mit Barras gelebt, den hat sie nämlich seinerzeit der Josephine ausgespannt, weißt du das? Aber jetzt hält sich der alte Narr an die Fünfzehnjährigen – sehr unkultiviert, finde ich, seine Haare sind natürlich gefärbt, so schwarze Haare hat doch kein Mensch …«
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, es keinen Augenblicklänger auf diesem Stuhl neben der schwitzenden, süßlich parfümierten Elisa aushalten zu können. Ich sprang auf, drängte mich zur Tür durch und wollte in der kleinen Vorhalle einen Spiegel finden, um mir die Nase zu pudern. In der Vorhalle umfing mich Halbdunkel. Ehe ich noch zu den Kerzen, die vor dem hohen Spiegel flackerten, gelangt war, prallte ich erschrocken zurück. Zwei Gestalten, die dicht aneinander geschmiegt in einer Ecke gelehnt hatten, glitten auseinander. Ein weißes Kleid schimmerte. »Oh – bitte um Entschuldigung«, sagte ich unwillkürlich.
    Schnell trat die weiße Gestalt in den Kerzenschimmer. »Aber warum denn?« Josephine ordnete mit flüchtiger Bewegung die kindlichen Locken. »Ich möchte Ihnen Monsieur Charles vorstellen – Hippolyte, das ist die reizende Schwägerin meines Schwagers Joseph – Schwägerin meines Schwagers, so sind wir beide doch miteinander verwandt, nicht wahr, Mademoiselle Désirée?« Ein ganz junger Mann – keine fünfundzwanzig Jahre alt – verbeugte sich gewandt vor mir. »Das ist Monsieur Hippolyte Charles«, sagte Josephine, »einer unserer jüngsten und erfolgreichsten – was sind Sie eigentlich, Hippolyte? Ja, richtig – Armeelieferant! Einer unserer jüngsten Armeelieferanten …« Josephine lachte leise und schien das Ganze sehr lustig zu finden. »Mademoiselle Désirée ist eine ehemalige Rivalin von mir, Hippolyte«, fügte sie hinzu. »Besiegte oder siegreiche Rivalin?«, erkundigte sich Monsieur Charles sofort. Zu einer Antwort kam es nicht, Sporen klirrten und Napoleon rief: »Josephine – Josephine, wo halten Sie sich versteckt? Alle Gäste fragen nach Ihnen!« »Ich wollte Mademoiselle Désirée und Monsieur Charles nur den venezianischen Spiegel zeigen, den Sie mir in Montebello geschenkt haben, Bonaparte«, sagte Josephine ruhig, fasste Napoleon am Arm und zog ihn neben Monsieur Charles. »Ich möchte Ihnen einen jungenArmeelieferanten vorstellen. Monsieur Charles, jetzt geht Ihr Herzenswunsch in Erfüllung, Sie dürfen dem Befreier Italiens die Hand reichen!« Ihr Lachen klang bezaubernd und vertrieb sofort den gereizten Ausdruck um Napoleons Mund. »Sie wollten mit mir sprechen, Eugé – Désirée?«, wandte sich Napoleon an mich. Sehr schnell legte Josephine ihre Hand auf den Arm dieses Hippolyte Charles. »Kommen Sie, ich muss mich wieder unseren Gästen widmen.«
    Dann standen wir einander allein im flackernden Kerzenlicht gegenüber. Ich begann, in meinem Pompadour zu kramen. Napoleon war vor den Spiegel getreten und starrte sein eigenes Gesicht an. Die flackernden Kerzen warfen tiefe Schatten um seine Augen und ließen die mageren Wangen hohl erscheinen. »Du hast gehört, was Barras vorhin gesagt hat«, kam es abrupt. Er war so tief in Gedanken versunken, dass er bestimmt nicht merkte, dass er mich wie in unseren vertrautesten Augenblicken duzte. »Gehört schon, aber nicht verstanden«, sagte ich. »Ich kenne mich ja in politischen Dingen nicht aus.«
    Er starrte weiter in den Spiegel. »Innere Feinde der Republik. Hübscher Ausdruck. Mich hat er damit gemeint. Er weiß nämlich genau, ich könnte heute die Republik –« Er brach ab, betrachtete aufmerksam die zuckenden Schatten auf seinen Zügen und nagte an der Oberlippe. »Wir Generäle haben die Republik gerettet. Und wir Generäle halten sie. Wir könnten schließlich Lust bekommen, unsere eigene Regierung zu bilden. Dem König haben sie den Kopf abgeschlagen. Die Königskrone liegt seitdem in der Gosse. Man müsste sich nur bücken und sie aufheben.« Er sprach wie im Traum. Und genauso wie einst an der Hecke in unserem Garten bekam ich zuerst Angst und dann eine kindische Lust, diese Angst wegzulachen. Da wandte er sich plötzlich um, seine Stimme klangscharf: »Aber ich fahre nach Ägypten. Die Direktoren sollen sich nur weiter mit den politischen Parteien herumstreiten und sich von Armeelieferanten kaufen und Frankreich in wertlosen Assignaten ersticken lassen. Ich fahre nach Ägypten und pflanze die Fahne der Republik –« »Verzeihen Sie, dass ich unterbreche,

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