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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Marie brachte uns Strohwitwen heiße Schokolade, und ich fragte höflich: »Haben Sie regelmäßig Nachricht von General Bonaparte, Madame?« – »Unregelmäßig«, sagte sie. »Der Bonaparte hat doch seine Flotte verloren, und die Engländer blockieren seine Verbindungsmöglichkeiten. Ab und zu gelingt es einem kleinen Schiff, durchzukommen.« Darauf ließ sich nichts antworten. Josephines Blick streifte das Klavier. »Julie hat mir erzählt, dass Sie jetzt Musikunterricht nehmen, Madame«, bemerkte sie. Ich nickte. »Spielen Sie auch?« – »Ja, natürlich, seit meinem sechsten Lebensjahr«, sagte die ehemalige Vicomtesse. »Ich nehme auch Tanzstunden bei Montel«, berichtete ich. »Ich möchte meinem Bernadotte keine Schande machen!«
    »Es ist nicht so einfach, mit einem General verheiratet zu sein – ich meine, mit einem General, der sich an der Front befindet«, sagte Josephine und knabberte an einemMarzipankuchen. »Da kommt es so leicht zu Missverständnissen.« Weiß Gott, dachte ich, dazu kommt es. Mein blödsinniger Briefwechsel mit Jean-Baptiste. »Man kann nicht alles aufschreiben, was man gern möchte«, gestand ich. »Nicht wahr?«, rief Josephine sofort. »Dafür mischen sich andere Leute in Dinge, die sie gar nichts angehen, und schreiben böswillige Briefe!« Sie trank schnell die Schokolade aus. »Joseph zum Beispiel. Unser gemeinsamer Schwager Joseph …« Sie zog ein Spitzentüchlein hervor und betupfte ihre Lippen. »Joseph will nämlich dem Bonaparte schreiben, dass er mich gestern in Malmaison besuchte und dort Hippolyte Charles – Sie erinnern sich doch an Hippolyte, diesen reizenden jungen Armeelieferanten? – also, dass er dort Hippolyte im Schlafrock antraf. So eine Bagatelle will er Bonaparte, der momentan ganz andere Sorgen hat, mitteilen!« – »Warum geht denn Monsieur Charles in einem Schlafrock in Malmaison herum?«, fragte ich und konnte wirklich nicht verstehen, warum er kein anderes Kleidungsstück für seine Besuche wählte. »Es war erst neun Uhr morgens«, gestand Josephine, »und er war eben noch nicht mit seiner Toilette fertig. Joseph kam nämlich sehr überraschend!« Darauf wusste ich wirklich nichts zu erwidern. »Ich brauche Gesellschaft, ich kann nicht so viel allein sein, ich war in meinem ganzen Leben nicht allein«, sagte Josephine, und ihre Augen wurden feucht. »Und da wir Strohwitwen nun einmal gegen den gemeinsamen Schwager zusammenhalten müssen, so habe ich mir gedacht, dass Sie mit Ihrer Schwester sprechen könnten. Julie soll Joseph davon abbringen, an meinen Bonaparte zu schreiben.« Also das war es. Das wollte Madame Josephine von mir. »Julie hat gar keinen Einfluss auf die Handlungen Josephs«, sagte ich wahrheitsgetreu. Josephines Augen waren die eines erschreckten Kindes. »Sie wollen mir also nicht helfen?«
    »Ich gehe heute Abend zu einem kleinen Neujahrsdiner zu Joseph, ich werde mit Julie sprechen«, sagte ich. »Aber Sie dürfen sich nicht zu viel davon erwarten, Madame.«
    Josephine sprang sofort erleichtert auf. »Ich habe gewusst, Sie werden mich nicht im Stich lassen! Und warum sehe ich Sie nie bei Theresa Tallien? Sie hat vor zwei Wochen einem kleinen Ouvrard das Leben geschenkt. Sie müssen sich das Kind ansehen!« Und schon an der Eingangstür: »Sie langweilen sich doch nicht in Paris, Madame? Wir müssen bald einmal zusammen ins Theater gehen. Und bitte – sagen Sie Ihrer Schwester, dass Joseph an meinen Bonaparte natürlich schreiben kann, was er Lust hat, nur das mit dem Schlafrock soll er lieber weglassen!« Ich fuhr eine halbe Stunde früher als besprochen in die Rue du Rocher. Julie, in einem neuen roten Kleid, das ihr gar nicht stand, weil es ihr von Natur aus recht farbloses Gesicht noch blasser erscheinen ließ, flatterte aufgeregt im Esszimmer hin und her und ordnete die kleinen versilberten Hufeisen, mit denen sie den Tisch geschmückt hatte und die uns allen ein glückliches neues Jahr bringen sollten. »Ich habe dir Louis Bonaparte zum Tischherrn gegeben, der dicke Junge ist so langweilig, ich weiß wirklich nicht, wem ich ihn sonst zumuten könnte«, bemerkte sie. »Ich wollte dich etwas fragen«, sagte ich. »Kannst du nicht Joseph bitten, er soll nichts über den Schlafrock an Napoleon schreiben, ich meine den Schlafrock dieses Monsieur Charles in Malmaison –«
    »Der Brief ist an Napoleon bereits abgegangen, jede weitere Diskussion ist überflüssig«, sagte Joseph in dieser Sekunde. Ich hatte nicht gehört, dass

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